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Full text of "Ostwald's Klassiker der exakten Wissenschaften"

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Ostwald's Klassiker der exakten 
Wissenschaften, no. 105, 1899 



OUT 19ÖJ 



Ankündigung. 



Der groBsartige Aufschwung, welchen die Naturwissenschaften 
in unserer Zeit erfahren haben, ist, wie allgemein anerkannt wird 
nicht zum kleinsten Masse durch die Ausbildung und Verbreitung der 
Unterrichtsmittel, der Experimental vorlesungen,Laboratorien u.s.w. 
bedingt. W&hrend aber durch die vorhandenen Einrichtungen zwar 
die Kenntniss des gegenwärtigen Inhaltes der Wissenschaft auf das 

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fbruemuen vreaanxen. 



Die Klassiker der exakten Wissenschaften sollen ihrem 
Namen gemäss die rationellen Naturwissenschaften, von der Mathe- 
matik bis zur Physiologie umfassen und werden Abhandlungen aus 
den Gebieten der Mathematik, Astronomie, Physik, Chemie 
(einschliesslich Krystallkunde) und Physiologie enthalten. 



Die allgemeine Redaktion führt von jetzt ab Professor emer. 
Dr. Arthur von Oettingen in Leipzig; die einzelnen Ausgaben 

N 

Vg auf der dritten Seite «Ist Umschlaflss 



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Geb. den 17. Februar 1605 in Tübingen; 
gest. den 1 1 . September 1721 in Tübingen. 



lieber 



HiilH 

oes- 

IS9^ 



DAS GESCHLECHT DER PFLANZEN. 

(De sexu plantarum epistola.) 

1694. 



Von 

R. J. CAMERARIUS. 



Uebersetzt und herausgegeben 

von 

M. Möbius. 



Mit dem Bildniss von R. J. Ca.merakiu 












LEIPZIG 

VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 
1899. 



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Einleitung, 



»Rudolf Jacob Camereb ist unsti’eitig der erste, der das 
Geschlecht der Pflanzen durch eigene in dieser Absicht ange- 
stellte Versuche bewiesen: er, mein Landsmann ist es, dem 
die gelehrte Welt diese grosse Wahrheit, die so allgemein und 
von einem so grossen Einflüsse auf die physikalischen und 
ökonomischen Wissenschaften ist, vornehmlich zu danken hat. 
Camereb ist es, der alles, sowohl was in den ältesten, als 
neueren Schriften seiner Zeit von dieser Materie vorgekommen, 
auf das gründlichste beurtheilt, mit einander verglichen, und 
nebst einer Menge von eigenen Beobachtungen und nützlichen 
Anwendungen, wodurch die Theorie dieser Wahrheit immer 
mehr bestärkt worden, in einem Briefe an den Mich. Bernhard 
Valentin der gelehrten Welt vorgelegt hat. In dieser Schrift, 
die an Gründlichkeit, Vollständigkeit und guter Ausführung 
noch bis auf den heutigen Tag die allermeisten Schriften dieser 
Art, die bisher ans Licht gekommen, weit übertrifft, schien 
er alles, was nur zu seiner Zeit von dieser Materie hätte ge- 
sagt werden können, auf einmal erschöpft zu haben.« 

Mit diesen Worten kennzeichnet Jos. Gottl. Külbeuter 
die Bedeutung der Schrift, von der wir jetzt die erste deutsche 
Uebersetzung bringen, in so treffender Weise, dass wir weiter 
nichts hinzuzufügen haben und damit die Aufnahme des Briefes 
in diese Ausgabe der Klassiker der exacten Naturwissenschaften 
begründen können. Auch ist ja heutzutage kein Zweifel über 
das Verdienst des Camebarius, das in Sachs’ Geschichte der 
Botanik (p. 416 ff.) die entsprechende Würdigung findet. 

Rudolf Jacob Camebarius, Sohn des Elias Rudolf C. 
(1641 — 1695), des Urenkels des älteren Joachim C^vmerarius 
(1500 — 1574), ist am 12. Februar (nach anderer Angabe am 
17. Febr.) 1665 zu Tübingen geboren, studirte daselbst, ward 
1679 Baccalaureus , 1682 Magister, unternahm 1686 — 1687 
Reisen in Deutschland, Holland, England, Frankreich und 

1 * 



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IV 



Einleitung. 



Italien, empfing 1687 den Doctor-IInt aus seines Vaters Hand, 
und wurde 1688 zu Tübingen ausserordentlicher Professor der 
Medicin und Director des botanischen Gartens und endlich 
1695 nach dem Tode seines Vaters ordentlicher Professor. 
Schon vorher war er in die deutsche Akademie der Natur- 
forscher als Mitglied unter dem Namen Hector H. auf- 
genommen worden. Er starb am 11. September 1721. Er 
hat eine grosse Anzahl medicinischer und botanischer Schriften 
hinterlassen, von letzteren sollen weiter unten die hauptsäch- 
lichsten angeführt werden, ohne dass damit das Verzeichniss 
als vollständig bezeichnet werden soll. Jedenfalls ist die 
wichtigste seiner Schriften eben die Epistola de sexu plan- 
tarum. Dieselbe erschien zuerst als selbständiges Buch unter 
dem Titel; Aeademiap Caemreo Ijtopold. N. C. Hcctaris II. 
Riidolphi Jacobi Camerarii, Professoris Tubingmsis. ad Thessa- 
lum, D. Mich. Bernardum Valcntini, Professorem Gicssetisem 
eoKeüentissimum, de sexu ])Ia?itarum cpistola. Tubingae, Tgpis 
Vidiuie Rommcii, A. MDCXCIV. 8". 110 pp. Als Motto ist 
eine Stelle ans Theophrast vorangesetzt: "Oitjg öe noXvyovx' 
rh TÜv OvT&v y.al 7toiy.i).ov, y.ai xctXeTthv elTtsiv y.aih}kov. 
(Ueberhaupt ist das Wesen der Pflanzen verschiedenartig und 
mannigfaltig und schwer im Ganzen zu beschreiben.) Dem 
Briefe (p. 1 — 80) folgt (p. 80 — 84) eine Ode von 26 Strophen, 
die nicht von CAMERAiirus selbst abgefasst ist, wie schon aus 
der 25. Strophe (conf. Uebersetzung) hervorgeht. Wer ihr 
Verfasser ist, das ist unbekannt und wird es wohl auch bleiben; 
Sachs (1. c. p. 421) vermuthet einen Schüler des Cajieeakius. 
Sie ist überschrieben A. A. (? Ad Amicum) und unterschrieben 
f. (? fecit) A. E. (? Name des Autors). Ihr Anfang ist eine 
Nachahmung von dem der bekannten ersten Ode im dritten 
Buch des Hohaz und wie diese ist sie im alcäischen Vers- 
maasse abgefasst. Es folgen darauf zwei Appendices, die 
zwei auf den Seiten 19 und 49 (des Buches) envähnte Reden 
enthalten. Die erste behandelt die Gallen der Eichen, und 
ist auch in der späteren Ausgabe von Mikax abgedruckt (s. 
unten p. IX). Die andere bezieht sich auf eine Stelle, die in 
den späteren Ausgaben und auch in dieser Uebersetzung weg- 
gelassen ist, und handelt : de generatione ex Primaevo Semine 
(über die Entstehung ans dem ursprünglichen Samen); sie be- 
schäftigt sich mit der Erklärung zweier Stellen aus dem Ari- 
stoteles (de plantis lib. U und de generatione animalium lib. II) 
und kann deshalb liier wohl füglich unberücksichtigt bleiben. 



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Einleitung. 



V 



Diese erste Ausgabe vom Jahre 1694 scheint ziemlich selten 
zu sein; ich habe durch die Gefälligkeit der Tübinger Uni- 
versitätsbibliothek ein Exemplar zur Einsicht erhalten. 

Von diesem Briefe hat darauf Valentin: , an den er ge- 
richtet war, einen Auszug veröffentlicht in den Ephemerides 
Germanicae (oder Miscellanea curiosa) der Academia Caesareo- 
Leopoldina Naturae Cmdosorum, Decuriae III. Annus III. 
Appendix, p. 31 — 36 unter dem Titel: Dn. D. JRudolphi Jacobi 
Camcrarii Med. D. et P. P. Äcad. Caesareo-Leopold. N. C. 
(Jolleg. d. Ilect. II. ad Dn. D. MkJiaelem Bernardum Valentim, 
Prof. Gicsseniim et Gnrios. Thessalum De sexu phfitarum 
epistoln.*) Das Jahr der Abfassung wird hier nicht angegeben, 
der betreffende Band aber ist von 1696 datirt. Auf diesen 
Brief folgt (1. c. p. 37 — 40): Dn. D. Michaelis Bernardi Va- 
Icntini Responsoria ad Dn. D. Rvdolphi Jacobi Camcrarii Epi- 
stolam de sexu plantartim ohne Jahresangabe. Das Antwort- 
schreiben beginnt sehr launig mit den Worten: >Sexus mei 
prorsus obliviscor, quod politissimao et omnino tenerae Tuae 
de sexu plantarum Epistolae non citius respondeam, cum Viros 
id prompte expedire deceat, quod foeminae (quae dum comun- 
tur annus est) nimis retardare solent.« Im Uebrigen enthält 
er ausser Lobeserhebungen nur einige Andeutungen, wie die 
Schwierigkeiten, die Cämeuarius zuletzt in Hinsicht auf die 
Nachweisung der Geschlechtlichkeit der Pflanzen erwähnt, 
vielleicht zu lösen seien: die Schachtelhalme könnten doch 
ausser dem Pollen (Sporen) vielleicht noch versteckte Griffel 
besitzen; die weiblichen Pflanzen von MercurialLs**) und die 
der männlichen Blttthen beraubten Pflanzen von Zea. die ohne 
Bestäubung auch Früchte producirt hätten, seien doch vielleicht 
durch weither vom Wind getragenen Pollenstaub der betreffen- 
den männlichen Blüthen befruchtet worden. 



*) Valentin giebt sich nicht als Verfasser dieses Auszuges an, 
sondern wir wissen, dass er es ist, nur aus Kölreuter’s Historie 
der Versuche etc. (vergleiche unten p. X N. 17), der mit Recht 
diesen Auszug > unvollständig und fehlerhaft« nennt und dieses Ur- 
theil ausführlich begründet. Vergl. hierzn auch Sachs, Gesch. der 
Botanik, p. 434, 

**) Valentin verwechselt hier Mercurialis mit Cannabis, denn 
von der weiblichen Pflanze des ersteren hatte Camerarius bei 
ausbleibender Bestäubung lauter taube Früchte erhalten (vergl. 
p. 2-i), bei letzterer aber hatten sich einige Früchte mit Samen 
trotz der fehlenden männlichen Blüthen entwickelt (vergl. p. 48 — 49). 



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VI 



Einleitung. 



Ansfilhrlich abgedruckt ist dann die Epistola des Came- 
BAKIU8 zuerst in Michaelis Bernardi Valcntini Prof. Medici et 
23. t. Äcad. Gisse3iae Pectoris Polychresta exotiea in curandis 
affcctibus contumadssimis j^obatisswia etc. Accedunt seorsim 
oliin editae, 7iunc autem, ad desiderium j)lwimorum, conjunctim 
denuo prodeuntes IHssertationes ej3istolicae varü argwiienti. Hier 
ist als Apendix I abgedruckt: de sexu plaiitanmi cjyistola D. 
Pudolphi Jacobi Camemrii, Profess. Tubingensis ad D. Mich. 
Bernhard. Valcntini PP. Gissensem (p. 225 — 271) und als 
Appendix U die oben erwähnten Responsoria (p. 272 — 274). 
Von den Polychresta exotiea liegen mir zwei sonst ganz gleiche 
Ausgaben vor, die eine Francofurti ad Moenum, Sumptibus 
Johannis Davidis Zunneri, Bibliopolae, 1700, die andere Franco- 
furti ad Moenum, Praestat in officina Joannis Adami Jungii 
1701. 

Darauf erscheint unsere Epistola, und in dieser Ausgabe 
ist sie wohl am bekanntesten, beigefügt >propter materiae 
nexum« dem Sermo academicus de novorum vegetabilium ])ost 
creationem divnmm exortu des Johann. Georg. Gmelin (Tü- 
bingen 1749). 

Beide Ausgaben, die von Valentin und die von Gmelin, 
werden von Sprengel in seiner Geschichte der Botanik 
(n. Band, p. 25. 1818) citirt. Im Jahre 1797 schliesslich 
hat der Professor der Botanik zu Prag, Johann Christian 
Mikan , die Opuscula botanici argumenti des Camerarius, 
unter ihnen die Epistola und mit ihnen einige andere, die wii’ 
sogleich anführen werden, herausgegeben. Diese drei späteren 
Ausgaben haben mir Vorgelegen und stimmen ganz wörtlich 
mit einander überein, von der ursprünglichen unterscheiden 
sie sich nur durch die Weglassung der oben angedeuteten und 
unten p. 31 Anm. citirten Stelle. 

Was die GMELiN’sche Ausgabe anbetrifift, so wird in der 
Praefatio (p. 3 — 4) von Gmelin erklärt, warum er mit seiner 
Rede die Epistola des Camerarius zugleich herausgiebt : er 
wünscht, dass das Büchlein etwas umfangreicher sei und da 
er bei der Abfassung seines Sermons neben anderen Schriften 
hauptsächlich jene benutzt habe, dieselbe auch nur in Weniger 
Händen sei, so scheint es ihm am geeignetsten, dass er beide 
zusammen drucken lasse, wodurch er zugleich zu bewirken 
hofft, »ut meo sermoni aliquod patrocinium nactus sim et vino, 
forte non admodum vendibili, hederam suspenderim. « Dem 
Sermon geht nun voraus ein vom Rector der Tübinger 



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Einleitung. 



VII 



Universität verfasster und jedenfalls auch gesprochener Pane- 
gyricus (p. 5 — 39) auf Gmelin, der am Tage vorher zum 
ordentlichen Professor der Botanik und Chemie ernannt worden 
war; er enthält eine ausführliche Lebensbeschreibung und be- 
sonders eine Schilderung der bekannten Reise nach Russland 
und Sibirien, die Gjielin in den Jahren 1733 — 1744 im Auf- 
träge der Kaiserin Anna von Russland mit einigen Gefährten 
unternommen hatte. Nach dieser Reise war er Professor der 
Naturgeschichte bei der Akademie in St. Petersburg geworden, 
er blieb aber daselbst nur vier Jahre, Eiränklichkeit und Sehn- 
sucht trieben ihn in sein Vaterland zurilck, wo er in Tübingen 
mit grossen Ehren aufgenommen und, wie eben erwähnt, zum 
Professor ernannt wurde, aber bald darauf 1755 (im 46. Lebens- 
jahre) starb. Seine am 22. August 1749 gehaltene Rede 
(p. 40 — 82) erörtert die Frage, ob ausser den von Gott ge- 
schaffenen Arten nachträglich neue entstehen können? Diese 
Erörtenmg ist, in Hinsicht auf die damalige Zeit, nicht nur 
ihres Inhaltes wegen von Interesse, sondern auch für uns ins- 
besondere wegen der häufigen Berufung auf die Epistola des 
C.\MERARIU8 , so dass es sich verlohnen dürfte, ihren Inhalt 
in Kürze hier wiederzugeben. 

Sie beginnt mit einer Aufzählung der vegetativen Ver- 
mehiTingsweisen der Pflanzen, wobei natürliche und künstliche 
unterschieden werden. Zn letzteren gehört das Pfropfen und 
bei dieser Operation entstehen neue Varietäten, deren Säm- 
linge aber in die wilde Sorte Zurückschlagen, so dass also 
auf diese Weise keine neue Arten entstehen. Dann wird zur 
Beschreibung der Samenbildung und der Blüthen übergegangen 
und dargelegt, dass zu ersterer die Bestäubung der Narbe mit 
dem Pollen nothwendig ist, wie es Camekaäius nachgewiesen 
hat. Erwähnt werden Bastarte von rothen und weissen Tulpen, 
die theilweise die Eigenschaften der Eltern gemischt zeigen. 
»Die Geschlechtlichkeit der Pflanzen, sagt Gmelin, wird also 
Niemand ferner leugnen, wenn er nicht durch Vorurtheile ver- 
blendet ist.« Allein die erzeugten Bastarte sind keine neuen 
Arten, weil ihre Nachkommen wieder in die ursprünglichen 
Formen Zurückschlagen, zum Charakter der neuen Art aber 
die Constanz der neuen Eigenschaften gehört. — Verf. glaubt 
nun einen Aufschluss von anderer Seite gewinnen zu können, 
n.ämlich durch Vergleichung der Verhältnisse bei den Pflan- 
zen mit denen der Thiere. So vergleicht er auch die Er- 
n.ährnng der Pflanzen mit der der Thiere, bevor er auf die 



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vm 



Einleitung. 



Geschlechtsverhältnisse eingeht. Zwei Einwürfe gegen die 
Analogie in beiden Reichen sucht er zu entkräften: erstens, 
dass bei Thieren Zwitter sehr selten seien und deswegen, 
wenn die meisten Pflanzen Zwitter seien, dies Zweifel über 
die Geschlechtlichkeit der letzteren überhaupt erwecke; ein 
Einwand, der natürlich leicht zurückzuweisen ist. Zweitens 
widerspreche der Analogie die häufige vegetative Vermehrung 
bei den Pflanzen und das Fehlen derselben bei den Thieren ; 
hier erinnert der Verf. an die Vermehning der Polypen durch 
einfache Theilung und an die ungeschlechtliche Fortpflanzung 
bei den Blattläusen. Es besteht also eine Analogie, und 
wenn bei Thieren die Entstehung neuer Ai’ten nachgewiesen 
werden könne , so dürfe diese Möglichkeit auch auf die 
Pflanzen übertragen werden. Dass nun die durch Kreuzung 
verschiedener Thierarten erzeugten Bastarte neue Arten seien, 
ist deswegen nicht anzunehmen, weil, soweit man weiss, diese 
Bastarte schon selbst steril oder aber die erste Generation 
ihrer Nachkommen steril ist. Immerhin sei die Frage für die 
Zukunft noch offen zu lassen. Als neu entstandene Art gilt 
die von LiNNfi beschnebene Pelorie, welche aus einer Linaria 
entstanden sein soll: Verf. giebt dies aber nur für den Fall 
zu, dass die Fruchtbarkeit ihrer Samen und die Beständigkeit 
ihrer Eigenschaften nachgewiesen würde; dann sei es aber 
immer nur ein einziges Beispiel, denn die andern von LiXNf: 
für Hybride angesehenen Arten sind in dieser Hinsicht zweifel- 
haft. So kommt er denn zu dem Schluss, dass noch lang- 
jährige Experimente nothwendig seien, bevor die Frage in 
bejahendem oder verneinendem Sinne endgültig beantwortet 
werden könne. Auf diese Rede folgt nun unmittelbar p. 83 
— 148 die Epistola des Cameräeius mit der Ode. 

In die von Mikan herausgegebene Sammlung sind folgende 
Abhandlungen aufgenommen : 

1) Cameranus, De usu haccanim solani racemosi tinctoni 
americani pro confectione alkermcs. (Ephemerid. Germ. 
Decur. II. Annus VI. p. 189. 1088.) p. 1 — 6. 

»De baccis Phytolaccae agit, pro Cocco in confectione 
alkermes adhibitis« Haller, Bibi. bot. T. I. p. 625. 

2) Idem, De Fungo calyciforrni seminifei'o. (Ephemerid. 
Germ. Decur. II. Annus VII. p. 303. 1688.) p. 7 — 11. 

Es handelt sicli um Crucibulum oder Cyathus. 



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Einleitnng. 



IX 



3) Idem, De Lolio tcmulento. (Ephemerid. Germ. Decur. II. 
Anmis VIII. p. 430. 1690.) p. 12 — 16. 

Besprechung seiner Eigenschaften und Heilkräfte. 

4) Idem, Semimi mori siibventanea. (Ephemerid. Germ. 
Decnr. II. Annus IX. p. 212. 1691.) p. 17 — 19. 

Die hier mitgetheilte Beobachtung wird in der 
Epistola erwähnt. 

5) Idem, Ccrinllie tetraspermos. (1. c. p. 214.) p. 20 — 23. 

Nachweis, dass Cerinthe zu den Asperifolien gehört. 

6) Idem, Ova mercurialis subventanea. (Ephemerid. Germ. 
Decur. II. Annus X. p. 90. 1691.) p. 24 — 27. Wie 4. 

7) Idetn, De fhnbiis radiaUs discoidcis. (Ephemerid. Germ. 
Decur. III. Annus I. p. 174. 1693.) p. 2S — 30. Wie 4. 

S) Idem, Oratio de quercuum gaUis, quac legitur in epistola 
ejus de sexu plantanim scripta ad Dn. I). Michael. Bern- 
hard. Vakntini Oiiriosor. Thessalum, Profess. Oiesens. 
[Ephemerid. Germ. Decur. III. Annus U. Append. p. 37. 
1695.) p. 31—42. 

Hier macht Mikän die Anmerkung; >Da diese Rede 
sich nicht in dem citirten Briefe befindet, wie er in 
den Ephemerid. Germ, enthalten ist, noch in jenem, 
den JoH. Georg. Gmelin herausgegeben hat, so muss 
sie um so mehr hier aufgenommen werden.« 

Man hatte eine Eiche gefunden, die scheinbar 
Beeren (Weinbeeren) als Früchte trug. Cameuabixjs 
hatte selbst einen solchen Zweig erhalten und er- 
kannte richtig, dass es Gallen an den männlichen 
Blüthen der Eiche seien. Diese Erscheinung wird 
hier besprochen und erklärt. 

9) Idem, De sexu plantamm epistola. {*Prout illam edidit 
Jannus Georgius Gmelin. Anno 1740. Tubingae.*) 
p. 43 — 11 7. 

10) Idem, Do sexu plantamm epistola. (Ephemerid. Germ. 
Decur. HI. Annus IH. App. p. 31. 1696.) p. 118—124. 
Siehe oben p. V. 

11) Dn. D. Michaelis Bemhardi Vakntini responsmüi etc. 
p. 125 — 128. Siehe oben p. V. 

12) Camerarius, De Lolio temidento. (Ephemerid. Germ. 
Decur. III. Annus III. p. 238. 1695.) p. 129—140. 

Neue Erfahrungen und Beobachtungen über den- 
selben Gegenstand wie in 3) und NachAveis, dass 



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Einleitung. 






aus gewöhnlichem Weizen kein Taumellolch entstehen 
könne. 

13) Epi^tola ab amico anonymo Nonmbergam ad Ephemeri- 
dum directorcm per Excell. Dn. D. David Splcissium de 
tisci generatiom et propagatione. (Ephemerid. Germ. 
Decur. III. Annus IV. App. p. 49. 1697.) p. 141 — 145. 

Es wird nach angestellten Beobachtungen mitge- 
theilt, dass die Mistel kein Auswuchs des Baumes sei, 
sondern aus Samen entstehe, mögen dieselben vorher 
von Vögeln gefressen worden sein oder nicht. 

Hieran schliesst sich (p. 146 — 148) ein Schreiben 
>a Cive Atlantico, ex Atlantide 14. Maj. 1696«, in 
welchem dem CA\LERAEru8 der Vorwurf gemacht wird, 
er habe jene erste Abhandlung bei der Abfassung 
seines Aufsatzes über die Mistel (Ephem. Dec. UI. 
Ann. 1} benutzt und seine Angaben über die Kei- 
mung der Mistel seien nicht richtig. 

14) Camerarius, de generatiom visci uni vorn. (Ephemerid. 
Germ. Dec. lU. Ann. V et VI. p.264. 1697.) p. 149 — 152. 

Der ihm im vorigen Schreiben gemachte Vorwurf 
wird zurückgewiesen. 

15) Camerarius, de spinachia et urtica androgynis. (Epheme- 
rid. Germ. Decur. III. Annus V et \T. p. 484. 1698.) 
p. 153—156. 

Verf. theilt seine Beobachtungen über das Vor- 
kommen männlicher Blflthen an weiblichen Exemplaren 
von Spinacia und Urtica mit. Er fügt hinzu (p. 157 
— 160): hic placet adnectere quaedam sexus variantis 
specimina: es sind Beobachtungen Anderer überZwitter- 
blüthen von Zrn, über Acer mgundo und Juniperus 
mit männlichen und weiblichen Blüthen an einem 
Stock. 

16) Camerarius, de fructibus prunorum monstrosis. (Ephe- 
merid. Germ. Decur. UI. Annus IX et X. p. 137. 1701.) 
p. 161—164. 

Verf. beschreibt sogen. Taschenpflaumen und ist 
der Ansicht, sie seien, wie Windeier, aus unbefruch- 
teten weiblichen Blüthen entstanden. 

17) Joseph Gottlieb Kölreuter, Historie der Versuche, welche 
vom Jahre 1691 an bis auf das Jahr 1732 über das Ge- 
schlecht der Pflanzen angcstellt worden sind; nebst einer 
historisch-physilcalisehen Erörterung , dass Rudolph Jacob 



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Einleitung. 



n 



(Janiercr der erste gewesen^ der diese für die physikalischen 
und ökonomischen Wissenschaften so wichtige WaJirheit 
durch eigene in dieser Absicht angesteüte Versuche erwiesen. 
fEx Comment. Academ. Theodoro-Palat. p. 21.) p. 165 
— 198. 

Au 3 dieser Schrift ist die im Eingänge der Ein- 
leitung citirte Stelle entnommen. Mieän macht hier 
die Anmerkung, dass Johann Gustav Wahlboen in 
seiner Dissertation: Sponsalia plantarum (Upsala 1746, 
unter dem Vorsitze Linne’s vorgelegt) schon ausge- 
sprochen habe, dass Cameeabius zuerst deutlich das 
Geschlecht und die Fortpflanzung der Pflanzen nach- 
gewiesen habe. 

. 18) Joseph Gottlieh Kölreuter, Historisch -physikalische Be- 
schreibung der wahren männlichen Zeugungstheüe^ mul 
der eigentlichen Befruchtungsart bey der Schwalbenwurz, 
und den damit verwandten PflanzengescMechtem. (Ex 
Comment. Acad. Theodoro-Palat. p. 41.) p. 199 — 224. 

Beschreibung des Blüthenbaues bei den Ascle- 
piadeen. 

Dies also ist der Inhalt des von Mikan herausgegebenen 
Sammelwerkes. Es enthält keineswegs sämmtliche Schrif- 
ten des Cameeabius, wie aus den von Halleb in seiner 
Bibliotheca botanica (Zürich 1771, Bd. I, p. 624) nnd von 
Peitzel in seinem Thesaurus Literaturae Botanicae (Lipsiae 
1851) gegebenen Verzeichnissen hervorgeht. Peitzel berück- 
sichtigt bekanntlich nur die selbständig herausgegebenen 
Schriften und führt von solchen des Cameearius folgende an: 

De plantis remis. Tuebingiae 1688. 4. 22 p. 

De Herba miniosa seu sentiente. Tuebingiae 1688. 4. 20 p. 

De convenientia plantarum in fructificatione et viribus. 
Tuebingiae 1699. 4. 16 p. 

De Scordio. Tuebingiae 1706. 4. 24 p. 

De ustilagine frumenti. Tuebingiae 1709. 4. 16 p. 

De Lolio tnnulento. Tuebingiae 1710. 4. 24 p. 

Biga botanica sc. Cervaria nigra et Pini coni. (Linum 
etiam cathartiemn.) Tuebingiae 1712. 4. 16 p. 

De Ulnuiria. Tuebingiae 1717. 4. 

De Fumaria. Tuebingiae 1718. 4. 14 p. (nach Hallee 
1710). 

De Bubo idneo. Tuebingiae 1721. 4. 20 p. 



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xn Einleitung. 

Hierzu können aus dem Verzeichniss von Haller noch 
hinzugefügt werden: 

De Gichorio disputatio I. Tubing. anno 1690. 4“. und 
II. anno 1691. 4®. 

De Fnimenti semente et messe. Anno 1695. 4®. 

Haller zählt auch die in den Ephem. Nat. Cur. abge- 
druckten Aufsätze auf imd von diesen sind , als in der 
MiKAJj’sche Ausgabe nicht vorhandene, hier noch folgende 
anzuftlhren, wobei dem von Haller gegebenen Titel, wenn 
er von dem ursprünglichen ab weicht, der letztere noch in 
Klammern nebst der betreffenden Stelle in den Ephemeriden 
und dem Jahre beigefügt ist. 

De fungulis Brasswae jyro scmine habitis (= De semine 
Brassicae. Decur. HI. Annus I. p. 171 — 173. 1693), 

De germvuatioTu; J^ci {= De Baccanim visci germinatione. 
Decur. III. Annus I. p. 173 — 174. 1693). 

De nsu radüns Sgmphyti in Ischiade (Decur. HI. Annus 
V et VI. n. 16. 1697). 

De Adianto aureo, spante in rudcribus nato (1. c. n. 17. 
1697). 

De Cgnthoidis semim sterili (= De fungo credito semini- 
fero. Decur. IH. Annus V et VI. p. 624 — 626. 169S). 

De Bibis nigri vi mcdiea et de acetario ex Onngra (= 
Cassis; Ribes Kigrum: Cerasus, onagra, tetragouolobus. 
Ephemerid. Cent. VII. Obs. 16. p. 272 — 277. 1717). 

De varictate in primis initiis plantamm. Mireris, si qua- 
tuor plantulae in uno grano hordei fuerint. (= Charac- 
ter Plantarum internus. Ephemerid. Cent. X. Obs. 5. 
p. 259— 261. 1719.) 

Schliesslich sei erwähnt, dass ein Bild unseres Autors, 
des CAJtERARius, sich in den Act. Nat. Curios. vol. I (1725) 
findet, gestochen von JoH. Curistopii Dehne. Nach diesem 
sehr mittelmässigen Stich hat J. Berka einen neuen kleineren 
angefertigt, welcher der MiKAx’schen Ausgabe beigegeben ist. 
Das unserer deutschen Ausgabe beigefügte Bild ist nach jenem 
ursprünglichen Stiche hergestellt. 

Wir geben nun in Folgendem eine deutsche Uebersetzung der 
in einem ziemlich barbarischen Latein geschriebenen Epistola de 
scxu plantamm und fügen derselben eine grössere Anzahl von 
Anmerkungen hinzu, welche zum Verstäiidniss nöthig sein 
dürften. Die Uebersetzung ist nach der GMEUN’schen Aus- 
gabe angefertigt worden. Dabei ist besonderer Werth darauf 



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Einleitung. 



xni 



gelegt, möglichst jedes Wort wiedeizugeben, was freilich viel- 
fach Schwerfälligkeit im Ausdruck bewirkt und die deutsche 
Sprache in, ihr ungewohnte, lateinische Construetionen presst, 
wofür hiermit um Entschuldigung gebeten wird. Die lateini- 
schen Namen von Pflanzen sind meistens ins Deutsche über- 
setzt und zur Vermeidung von Ii-rthümern und mit Rücksicht 
auf Ausländer ist dem deutschen Namen die jetzt übliche 
wissenschaftliche lateinische Bezeichnung in Klammer beige- 
fügt worden, z. B. Frumentum turcicum = türkischer Weizen 
[Zca], In vielen Fällen genügt ja die Angabe der Gattung, 
zumal wenn Camehärius sich auch nur auf die Gattung be- 
zieht; bisweilen ist noch die lateinische Bezeichnung des 
Camerarius angegeben und einige Namen sind in den An- 
merkungen erläutert. Die Uebertragung der lateinischen Ode 
in die deutsche Ode von gleichem Versmaass verdanke ich 
Herrn Robert Askenasy in Frankfurt a. M. , der diese ziemlich 
schwierige Aufgabe mit Geschicklichkeit gelöst hat. Da die 
Abfassung der Ode im Jahre 1694 zeigt, wie hoch die Ent- 
deckung des Cajierarius sogleich geschätzt wurde, erscheint 
deren Wiedergabe in der Uebersetzung angemessen und ist 
lioffentlich den Lesern der Epistola willkommen. 



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Des ß. J. Camerarius Brief: 

lieber das Geschlecht der Pflanzen. 



Vortrefflichster! 

Diese Epistel zu schreiben bin ich dadurch veranlasst 
worden, dass gewisse Leute behaupten, sie könnten die rich- 
tigen Wahrnehmungen der Menschen von den eingebildeten, 
wie die wahren Farben von den scheinbaren unterscheiden, 
indem jene für alle die gleichen seien, diese aber für die ein- 
zelnen verschieden erscheinen. Denn schon lange und eifrig 
mit der Frage nach der Geschlechtlichkeit der Pflanzen be- 
schäftigt, sehe ich mich um, wem ich am besten meine Wahr- 
nehmungen zur Prüfung unterbreiten könne : und siehe da fällt 
mein Blick zuerst auf Dich, mein Thkssai.us '), denn ich weiss, 
dass die einst auf einer Reise nach Holland unter uns ge- 
schlossene Freundschaft, sowie die gemeinschaftlichen Studien 
in der experimentellen Wissenschaft, die Du ja neulich in Deiner 
Inaugural-Rede gepriesen hast, Dich mir aufs engste verbinden, 
und so hoffe ich, es werde Dir weder dies öffentliche Zeugniss 
unserer Freundschaft unangenehm sein noch dieses Mittel zur 
Lösung der Schwierigkeiten der Beweisführung ungeeignet er- 
scheinen. Indem ich also von allem ferner Liegenden absehe, 
will ich meine Gründe anführen, warum die von den Botanikern 
so oft verworfene Geschlechtlichkeit der Pflanzen mir sehr 
wahrscheinlich ist, aber noch nicht ohne Furcht vor Gegen- 
gründen angenommen werden kann; Dir aber will ich genau 
darlegen, was mich einerseits dafür einnimmt, andererseits 
davon abhält. Bei diesem Unternehmen halte ich es für der 
Mühe werth, sowohl meine eigenen als auch die Gründe anderer 
{inzuführen, wie sie die berühmten englischen Forscher Nehe- 
iUAS Grew^) und .Johannes Ra-ius^) mir liefern. (Andere 



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2 



R. J. CamerariuB. 



Begründer oder Vertheidiger dieser Ansicht sind mir bisher 
nicht bekannt geworden, nnd nnr den C. Stürsuus^) finde ich 
in seinen Phys. concil. und Disput, de Gener. meine Ansicht 
unterschreiben.) Daraus wird man sehen, aus welchen Gründen 
sie seihst sich zu jener Ansicht bekennen nnd ans welchen ich 
zu ihr gelangt hin. Aber auch die Bedenken, die mir selbst 
aufgestossen sind (denn ich wüsste nicht, wer sonst öflfentlich 
gegen unsere Ansicht von der Geschlechtlichkeit der Pflanzen 
etwas geschrieben hätte) und die ich noch nicht zu beseitigen 
im Stande gewesen bin, will ich getrenlich hinznfügen und, so 
meiner Pflicht genügend, Zusehen , welchen Eindruck auf Dich 
die Lehre von der Geschlechtlichkeit der Pflanzen macht, ob 
den gleichen wie mir oder einen anderen , ob also meine 
Wahrnehmungen richtig oder eingebildet sind. 

Lass mich also zuerst von einer Beschreibung der Pflanzen 
ausgehen, wobei ich mich möglichst kurz fassen will. Ich be- 
ginne mit der Betrachtung der Blüthen: diese, die Vorläufer 
der Samen, bieten hauptsächlich zweierlei Bemerkenswerthes, 
die Blumenblätter und die Staubbeutel [apices] *) der Staub- 
fäden*). Bei einem grossen Theile der Pflanzen finden sich 
beide, aber nicht bei allen: bei einigen nämlich entbehren die 
Blüthen der Blumenkrone oder der durch den Geruch und die 
so verschiedene Gestalt sich auszeichnenden Blumenblätter und 
weniger ansehnlich, besitzen sie nur die Staubgefässe ; ard-T] 
yvoiöör] hat sie einst Tueophrast genannt, was seine Ausleger 
mit »wolligen oder moosartigen Blüthen« wiedergegeben haben, 
Blüthen mit Staubfäden {flores staminei: nennt sie J. Jungiusö) 
im Gegensätze zu den Blüthen mit Blumenblättern (foliacei 
flores^ tiv&t] fpvXXcjörj), für welche der von Fabius Columna’) 
gegebene Namen Petahx mit Recht beibehalten wird. Während 
also die Blüthen der Pflanzen mit Petalen nicht ohne Stauh- 
beutel zu sein pflegen, von denen natürlich je nach der 
Pflanzenart mehr oder weniger vorhanden sind, giebt es 
Blüthen ohne solche Petalen und nichtsdestoweniger bildet sich 
reifer Samen, wie bei den anderen, aus. Da ausserdem nicht 
nur die Rose [jRosa] z. B. und die Lilie [Lnlium ] , sondern 
auch die Rebe [FiVw] und der Weizen [Tntiimvi] etc. Blüthen 
haben, so scheint jedenfalls der Schluss gerechtfertigt, dass 
die Staubbeutel in Wahrheit und ganz eigentlich die Blüthen 

Das in eckigen Klammern Eingeschlossene ist Zusatz des 
Uebersetzers. 



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Ueber das Geschlecht der Pflanzen. 



3 



selbst seien, und dass sich die Pflanze mit diesen in Abwesen- 
heit dev Petalen begnüge. Dass die Kritiker dies zngeben, 
habe ich neulich zu meinem Erstaunen gesehen: Sai.masius^) 
citirt nach Plinius die gelben Antheren, die in der Mitte der 
Kose stehen, und will, dass das Gelbe in der Blüthe (ro /.qo- 
7.o)Öe^ nach Dioscoridks) “) eigentlich als Blüthe bezeichnet 
werde. (Es muss nämlich dreierlei unterschieden werden, was 
rroeus genannt wird: die Crocuspflanze oder -blüthe, die Staub- 
beutel der Staubgefässe und das Gewürz, nämlich die eigen- 
thumlichen Narbenfasern aus der Mitte der Crocusblüthe.) So 
nennt Wedel die Narcisse [Ahrcmzw] , der Ovid eine gelbe 
Blüthe umgeben von weissen Blättern zuschreibt, nur in der 
Mitte gelb, und die Aster Aster Amellus], die nach Viroil 
eine goldene Blüthe hat, nennt er so wegen der goldenen 
oder gelben Stanbbentel und noch deutlicher zeigt er dies am 
MelihtiisA" In Uebereinstimmung hiermit nimmt man an, dass 
die Staubgefässe der Rose mit den gelben Staubbeuteln in den 
Apotheken darum Antheren genannt werden, weil sie das 
uvO-ni^ Qodnv, die eigentliche Blüthe der Rose, sind. 

Wenn die Staubbeutel zur vollkommenen Entwickelung ge- 
langt sind, so zeigen sie verschiedene Farben, hier gelblich, 
dort schwefelgelb, manchmal auch purpurn, und erweisen sich 
als eine Art von Gefässeu oder Kapseln, jede auf ihrem Faden 
oder Stiele sitzend; sie pflegen sich dann noch weiter zu öffnen 
und meistens in zwei Furchen oder Fächern aufzuspringen. 
Zu dieser Zeit sieht man sie mit einem ziemlich feinen und 
zarten, gleichfarbigen Staub erfüllt, der von ihnen ausgestreut 
und in der Umgebung verbreitet wird. Dieser Staub ist es, 
der die Nase, wenn man an den erwähnten Rosen oder Lilien 
riecht, gelb färbt; auf der Hand zerrieben zeigt er sich fein 
und mehlig und unter dem Mikroskop betrachtet, erscheint er 
in Gestalt zahlloser, wie gedrechselter Kügelchen, die beim 
Austrocknen aus ihren häutigen Behältern ansgestreut worden 
sind: ihre Gestalt ist bei den verschiedenen Pflanzen verschie- 
den und ihre Oberfläche ist bei einigen wie mit Stacheln be- 
setzt und rauh. 

Wenn die Staubbeutel in Gemeinschaft mit den Petalen 
auftreten, so stehen sie in deren Mitte, aber in beiden Arten 
von Blüthen umgeben sie den Griffel oder Anhang des Samen- 
behälters. Bald nämlich entspringen sie von dem vorderen 
Theil des Petalnms, bald aus der gemeinsamen Basis der 
Petalen und des Griftels und daher stehen sie immer in einem 

Ostwald's Klassiker. 105 . 2 



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4 



R. J. Camerarius. 



bestimmten Vcrhältniss zu den Fetalen. So ist die Zahl der 
Staubgefässe oft gleich der Zahl der Fetalen oder der Lappen 
oder Spitzen bei Blüthen mit verwachsener Blumenkrone, die 
Tulpe z. B. hat 6 Fetalen und Staubgefässe, der 

griechische Baldrian [Polemonium eoerukum] und die gelbe 
Lysimachia [Lysitnachia vulyaris] deren je 5.”) Der Stech- 
apfel [Z)ai«ra] hat 6 Zipfel an der Blumenkrone und eben- 
soviele Staubgefässe, die Glockenblume [Campanula], der Nacht- 
schatten [Solanum], der Boretsch [Borrago] hat 5 Zipfel und 
ebensoviel Staubgefässe, die Färberröthe [Rubia tinctorum] 4 
u. s. w. Oft aber ist die Zahl ungleich und theils die der 
Staubgefässe geringer; so bei der Schwertlilie [Ii~is] 9 Blumen- 
blätter' 3) und 3 Staubgefässe, beim Schwertel [Gladioliis] 
(» Blumenblätter und 3 Staubgefässe, beim Epheu-Ehrenpreis 
[Veronica hcderifolia] 4 Zipfel und 2 Staubgefässe, theils ist 
sie grosser: so haben die Kreuzblüthler [Oruciferae] mit 4 Fe- 
talen G Staubgefässe, die SchmetterlingsblUthler [Papilionaceae] 
mit 4 Fetalen 8,'^) viele mit fünfblättriger Krone 10. Wegen 
der Menge ihrer Staubgefässe heissen die Blüthen der Rose 
Rosa], Malve [Malva], des Mohns [Papaver] und Hahuenfusses 
[Ranutieuhts] bei Rajus staubgefässreiche Blüthen [flores stamk 
nosi] Da sich aber die Staubgefässe auch nach dem Griffel 

richten, so sind ihre Staubfäden manchmal ungleich, z. B. 
ragen bei den Kreuzblüthlern 4 längere Staubgefässe hervor 
und sind 2 kürzere darunter verborgen, um den Griflel gut 
zu decken; bei der Lichtnelke [Lychnis] finden wir ebenso 5 
längere und gleichviel kürzere. Und zwar sind sie schon in 
der Knospe des Baumes und in der Zwiebel unter der Erde 
sichtbarlich vorhanden, wenn man genau zusieht, und so sind 
bei vielen Blüthen, so lange diese noch geschlossen sind, 
Staubgefässe und Griffel gewissermaassen miteinander verklebt, 
trennen sich aber bei der Anschwellung der Knospe und 
treten bei ihrer Entfaltung deutlich hervor. Wenn aber dann 
zugleich der Samen oder die Fruchtanlage mit erscheint, der 
die Blüthe aufgewaehsen ist oder um die sie eine Hülle 
bildet, sei es, dass ein Griflel vorhanden ist, der zu den 
Fruchtfächern innerhalb des Fericarps oder Fruchtgehäuses 
führt, wie bei den Nelken [Caryophyllus], sei es, dass der 
Griflel selbst unten zu dem Fruchtknoten anschwillt, wie bei 
der Tulpe — immer ist doch der Griflel oder sind die Griflel 
(je nach der Verschiedenheit der FHanze) in der Nähe der 
Staubbeutel oder sogar zwischen ihuen, so dass jener an der 



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Ueber das Geschlecht der Pflanzen. 



5 



Spitze, wo er gewöhnlich gespalten ist, bald in 2, bald in 3 
oder 4 Aeste, ganz und gar wie die innere Seite der Fetalen 
mit dem reichlichen Pollen der Staubbeutel gleich anfangs und 
am meisten bestäubt werden muss. So lass uns die Blüthen 
des Boretsch [Borrago] betrachten, hei denen, wie Rajus sagt*®), 
die Köpfchen der Staubgefässe [AntherenJ auf den Stielehen ge- 
rade aufsitxend so an den Seiten verbunden sind, dass sie eine 
Art Bohre darsteUen, in der der Gi'iffel so eingeschlossen vit, 
dass er nur mit dem obersten Theilc herausragt. Ebenso findet 
sich bei der Malve [Jlfa/m] in der Mitte ein röhrenförmiges 
Gebilde, das, wie Malpighi*’) angiebt, urie ein Stengel die 
Blätter, die zahlreichen Stiele der Staubgefässe aussjn'ossen lässt, 
in seiner inneren Höhlung aber den Griffel birgt, dessen Fäden 
hervorragen. Hierher gehört ferner die in der Blüthe der vir- 
ginischen Malve von P. Hermann *®) beschriebene Säule, die 
verzweigt und mit zahllosen violetten Antheren geschmückt ist, 
ferner der Stempel, der in der Blüthe der indischen Malve 
hervorragt und eine zierliche Rispe von zahlreichen rothen 
kleinen Staubbeuteln bildet u. s. w. nach den Worten meines 
verehrten Lehrers. 

Auf diese gleichzeitige Entfaltung der Fetalen und Staub- 
beutel folgt nach kurzer Zeit in ähnlicher Weise das Absterben, 
und dann schwillt der untere, bleibende Theil des Pistills an, 
der obere trichterförmige aber verwelkt, wie es den Botanikern 
bekannt ist. Von dieser Beobachtung ausgehend habe ich 
eine grössere Schmetterlingsblüthe, bevor sie geöffnet war und 
ihre richtige Grösse und Farbe erlangt hatte, zur Prüfung vor- 
genommen, um die Anlage der Hülse, die nach dem Verblühen 
anzuschwellen pflegt, in ihrem damaligen Zustande, nach Ent- 
fernung der Fetalen und Staubgefässe zu untersuchen. Dabei 
konnte man deutlich an der zarten jungen Hülse, wenn man 
sie gegen das Licht hielt, oder noch besser unter dem Mikro- 
skop, kleine gi'üne Bläschen durch die Haut hindurchschimmern 
sehen, schon in einer Reihe an der Mittelrippe angeordnet, 
und aus der einige Tage fortgesetzten Beobachtung an meh- 
reren Blüthen ging deutlich hervor, dass diese Bläschen nichts 
anderes sind, als die äussere Hülle oder Schale des zukünf- 
tigen Samens. Denn als die ihres Pollens schon entleerten 
Fächer der Staubbeutel sammt den Fetalen abgefallen waren 
und die Hülse sich vergrössert hatte, begann in der Höhlung 
der Bläschen mitten in einer klaren Flüssigkeit ein grüner 
Punkt oder ein kleines frei schwimmendes Kügelchen, das 

2 * 



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6 



R. J. Camerarius. 



vorher nicht zu sehen gewesen war, sichtbar zu werden. 
Anfangs konnte ich an demselben keine Organisation oder 
Ditferenzimng bemerken, aber beim weiteren Wachsthum unter- 
schied ich 2 Blättchen und bemerkte eine allmähliche Al)- 
nahme der Flüssigkeit nnd endlich erkannte ich deutlich ein 
vollständiges Keimpflänzchen mit Keimblättern, Knospe und 
Würzelchen, das die Höhlung der Schale ausfüllte. Diese 
Entwickelung, wie mehreres andere, was hierher gehört, hat 
Malpighi^®) in seinen Abbildungen elegant dargestellt: aus 
deren Betrachtung und ihrer Vergleichung mit der Pflanze 
in der Natur (denn so etwas kann mau nur so beschreiben 
und abbilden, wenn man es selbst mit Augen gesehen hat) 
wird sich deutlich die hieraus zu folgernde Ansicht ergeben, 
an welche er selbst freilich nicht gedacht hatte. So finden 
sich also nicht nur bei Kräuteni sondern auch bei Bäumen 
die Anlagen der Früchte iu den Blüthen und gleichzeitig mit 
ihnen, nnd folglich wären zu ihrer Zeit regelmässig soviel 
Früchte zu erhoflen, als vorher Blüthen dagewesen waren, 
wenn sie nicht durch verschiedene ungünstige Umstände oft 
vor der Reife abfielen oder abgerissen würden. Mit Recht 
heisst daher bei Scamgkr'^®) die Blüthe der Anfang der 
Frucht, ebenso sagt Vikgig so schön in den Georgicis flV, 
142], wo er den Fleiss des corycischen Greises^*) aus dem 
Grunde lobt, dass ihn keine Blüthe des Frühlings um die 
Frucht im Herbste betrogen hätte: der Ba um schmücke sich 
schon bei der Blüthe mit Aepfeln: 

»Und was an Menge des Obstes den fnichtbaren Baum 

in der Blüthe 

Kleidete, soviel eben belastet ihn reifes im Herbste.« 

Bei einigen Pflanzen ohne Petalen entstehen die Samen 
oder Früchte an einer anderen Stelle als die Blüthen, und die 
Staubbeutel sind soweit von den GriflTeln getrennt, dass hier 
die Staubbeutel ein eigenes Organ bilden, das aber ohne nach- 
folgende Frucht verblüht, während dort, in einiger Entfernung, 
ohne vorausgehende Blüthe, das Pistill und die Anlagen der 
Samen entstehen. So hat die Natur bei einigen Kräutern Blüthe 
und Frucht von einander getrennt, z. B. beim Welschkom [Zea], 
beim Thränengras [Cbyx Lacripnä], 1)eim Wunderbaum [l{icmus\ 
bei der Tournosolpflanze [Clirozopliora tinctoria], bei der Am- 
brosie [Ambrosia maritima], bei der Klette [Xanthium]^'-). 
Bei jenem Getreide [Zea] ist der hervoiTagende Busch oder 



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Ueber das Geschlecht der Pflanzen. 



7 



die Rispe an der Spitze des Halmes zn bekannt, als dass ich 
es genauer zu beschreiben brauchte, auch weiss man, dass, 
nachdem dieselbe ohne Samenansatz schon verblüht und zum 
'Pheil verdorrt ist, sich weiter unten an den Knoten und Ge- 
lenken jene dicken, cylindrischen Kolben ausbil^en, die mit 
ihren Körneni von einer Anzahl Blätter umgeben , aus jedem 
Korn einen langen Faden heraushängen lassen, so dass diese 
sich wie ein Schweif ausbreiten und den Blttthenstaub auf- 
nehraen. Ebenso verhält es sich beim Ricinus, bei dem sich 
die Staubbeutel aus kugeligen Knospen entwickeln, die drei- 
knöpfigen Samen [Früchte] aber am Ende der Rispe mit ihren 
drei rothen Federchen [Narben] entstehen. Mag man nun 
auch diese Federchen als Blume bezeichnen und mag die Be- 
schaflfenheit der Staubbeutel hei dieser Art etwas anders, be- 
sonders ihre Menge grösser sein, so geht doch aus der Aehn- 
lichkeit der Kapseln und des in ihnen enthaltenen Staubes 
[mit Antheren und Pollen], aus dessen bei mikroskopischer 
Betrachtung sichtbarer Kugelgestalt deutlich hervor, dass sie 
die wahren Blüthen sind und jene anderen gewöhnlich als 
Blüthen bezeichneten Organe nur die Griflfel der Früchte dar- 
stellen. Die anderen Pflanzen, die nicht einheimisch sind und 
nicht in den Gärten gezogen werden, habe ich noch nicht der 
Untersuchung unterwerfen können. 

Bei gewissen Bäumen, z. B. der Fichte [Picm], Tanne 
A/>?e,5], unserer 'VValdkiefer [Pm«« .nlrestn.i\, der Haselnuss 
[Corylus], der Walnuss [Jt(ylans], der Eiche [Querma\ der 
Erle [A/«?w] spricht sich nicht weniger deutlich eine Be- 
ziehung zwischen den Staubbeutelblüthen und den Pistillen 
aus. So sagt Plixius in seiner Historia naturalis I. IH. c. 25: 
t Nicht alle Bäume blühen^ einige trauern und nehmen nicht 
Theil an den Freuden des Jcdires. Denn weder die Steineiche 
[Querens Ilcx\, noch die Fichte [P/cml oder iJirchc [Larix\ oder 
Kiefer [P'n;<.9] erfreuen sich einer Blilthe, sie feiern nicht die 
jährlich iviedcrkehrenden Oeburtsfeste der Früchte mit Blutnen- 
schmuck.<^ Ganz gewiss meint er die Petalen, die bei anderen 
Pflanzen in verschiedenen Farben wetteifernd prangen. Nach 
den bisher angeführten Gründen sind aber die jenen Bäumen 
eigenthümlichen Zäpfchen [Juli], die Joachim Camerarius in 
seinem Hortus’'^^) bei der Walnuss [Juglans regia] auch als 
Kätzchen [cfl<;<?)<s] bezeichnet, Bock-^) als »lange Zapflfen, 
der Nuss Getreid<, und die ans sehr vielen Staubbeuteln oder 
wirklichen Staubgefässen zusammengesetzt sind, die wahren 



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8 



R. J. Camerarius. 



Blttthen und dürfen keineswegs mit den fertilen Kätzchen ge- 
wisser Weiden [ÄdZir] verwechselt werden, die nach Ra.h'8 
aus zahlreichen Samenhehältern bestehen, noch mit den Zapfen 
oder den Anlagen der Nüsse oder Eicheln: davon wird man 
sich bei der Beobachtung der Bäume selbst leicht überzeugen, 
da man sie auf demselben Banm getrennt sehen kann. Des- 
wegen müssen auch jene rotheu Fädchen, die im ersten Früh- 
ling aus den Knospen der Hasel [Corijlus^ hervortreten, und 
ebenso die von Jiingius^®) so genannten rothen Blütheu der 
Eiche [ÖMercHs], die er sehr passend mit den Federchen beim 
Ricinus vergleicht, und alle ähnlichen röhrenförmigen Gebilde 
bei den übrigen, da sie den Fruchtanlagen aufsitzen, als Griffel 
oder Griflelanhänge, die zum Samen gehören, betrachtet werden. 
Unterdessen blühen die Staubbeutel oder stäubenden Kätzchen, 
von jenen nicht nur deutlich verschieden, sondern aueh an 
anderen Zweigen sitzend, und verschwinden, ohne dass an ihre 
Stelle eine Frucht tritt, jedoch bestreuen sie vorher mit ihrem 
Staube, wenn sie vom Winde geschüttelt werden, die hie und 
da an demselben Baume befindlichen Fruchtanlageu , soweit 
diese in ihrem Bereiche stehen, ln dieser ganzen Ptlanzen- 
klasse also bildet sich der Blüthonstaub in solcher Menge, dass 
der Senior der Botaniker, Moritz IIoff.mann, im Katalog des . 
Altdorfer Gartens-') die Vermuthung ausspricht, es bestehe 
der Schwefelregen aus dem Staub der Kätzchen der Tanne 
[Atnes], Das ähnliche Schwefelmehl von der Hasel wird zum 
medieinischen Gebrauche gesammelt und als ein ausgezeich- 
netes Mittel gegen Epilepsie empfohlen, wie mau ersehen kann 
aus Eph. Germ. N. C. D. 3. A. 1. O. 121.'^^) Ebenso sollen 
die Kätzchen der Nüsse ein specifisches Mittel gegen Hysterie 
sein, wie nicht nur Matthiolus angiebt, sondern es auch der 
Botaniker von Montpellier, Magxoi,, aus zahlreichen Versuchen 
für erwiesen hält.-^) Schon Thkoi’Huastus hat den Unter- 
schied zwischen den Kätzchen und Früchten genau angegeben, 
er führt an das Kätzchen [iV;j/Aoj'] der Nuss [Ju(jlans\ , was 
die Uebersetzer mit Zottel [villits] wiedergegeben haben, das 
Moos {(iQvov) der Eiche [Quercus^, das Zäpfchen {y.lrxaQov) 
der Fichte [Ficea] und das gewissen anderen Pflanzen eigen- 
thümliche ährenförmige Gebilde, rh -/M^.ovfievt^g /.u'/(JUog 
[ajmntum]. Das »Moos« [vo ^ud>ÖEg oder ßgviöÖEg), das 
Träubchen der Hasel, ein besonders grosses wurmförmiges 
Gebilde (mit diesen Zäpfchen der Hasel hat man auch den 
spanischen Pfeiler verglichen), was Kätzchen genannt wird, ist 



lieber das Geschlecht der Pflanzen. 



9 



nach seiner Beschreibung zusammengesetzt aus zahllosen 
Schüppchen, die wie die Schuppen des Pinienzapfens ange- 
ordnet sind, und springt, nachdem es im Winter gewachsen 
ist, im Frühling auf, zur selbigen Zeit werden jene Schüpp- 
chen gelb und fallen ab; ausserdem müsste man, wie er sagt, 
mitersuchen, ob die Linde [Tilia] und noch andere Bäume 
ähnliche Gebilde besitzen, ob sie kätzchontragend sind [caehryo- 
phorof]. An diesem Gegenstände konnte Salmasius seine 
Kritik üben. Er bestreitet, dass das Kätzchen eine Blüthe 
sei und ebenso das »aromatische Moos« , das die Alten zu 
Salben verwendet haben; er behauptet also, die moosartigen 
Kätzchen der Bäume seien weder eine Blüthe, noch etwas 
dieser Analoges: sie würden richtiger Vorläufer der Blüthe 
[jrQouvO'rjUEis) als Blüthen (avO^yoeig oder ItrS-r]) genannt. 
Als Grund dafür führt er an, dass diese Organe, die Plixius 
unnütze, er selbst überflüssige [fatmis] Blüthen nennt, nicht au 
der Stelle gebildet werden , wo die Früchte zu entstehen 
pflegen. Als das aromatische Moos, das ßQvov der Griechen, 
das Moos [;>/mcos] der Eiche, das von Puxit’s zu den aro- 
matischen, für Salben gebrauchten Stollen gerechnet und auch 
von lliEROXT.’MUs unter den Wohlgerüchen erwähnt wird, 
nimmt er, da es weder das gewöhnliche Moos der Bäume, 
noch ein Kätzchen sein soll, eine andere Moosart an, die mau 
au einigen Bäumen wie ein Tuch oder eine Binde hängen 
findet, besonders aus dem Grunde, weil Dioscorides und 
Galexus das aromatische Moos von der Ceder [Gerfr».s] em- 
pfehlen; »Die Ceder aber, sagt er, bildet keine solche Moos- 
blüthe, v?ie die Pappel [Popidus] odei- Fichte.* Endlich behauptet 
er, es werde den Salben nicht des Geruches wegen, sondern 
seiner styptischen Wirkung wegen zugesetzt, *an sich bilde es 
weder eine Salbe noch ein Rüuchcrungsmittel , wenn man es 
cnich den letzteren zusetxe.* 

Aber übergehen wir, was zunächst in Betracht kommt, die 
Unbestimmtheit des Wortes Bryon, worunter er sowohl ein 
Moos als auch ein Kätzchen versteht, übergehen wir auch 
den von ihm angeführten Grund, der im Folgenden hinlänglich 
widerlegt wird, so wollen wir doch eine andere Stelle seiner 
Schrift anführen, die als Entgegnung auf die früheren dienen 
kann; »A/.« 3Ioos oder Kätxchcn bexeichnet man nicht jede 
Blüthe, sondci'n nur eine dichte oder gedrängte oder wie ein 
Haarxopf geflochtene. Theophrastus spricht sich in dieser 
Hinsicht nicht bestimmt aus, sondern erwähnt nur die 



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10 



R. J. Camerarins. 



verschiedenen Ansichten, dass nämlich nach der einen jene 
Bäume Blüthen hätten, nach der anderen die Kätzchen den 
sich nicht entwickelnden Feigen analog seien. Darauf jedoch, 
sowie an einer anderen Stelle über die Theile der Pflanzen, 
rechnet er das Moos ebenso wie die Blüthe zu den einjährigen 
Theilen und sagt, dass sie zur Fruchtbildung in Beziehung 
stehen; was sich jedenfalls auf das an den Bäumen wachsende 
Moos nicht beziehen kann. Darüber, dass die schöne gelbe 
Blüthe der Tanne [Abies], die er zweimal citirt, überhaupt nur 
das ansehnliehe Kätzchen sein kann, vergleiche man Hist. Plant, 
lib. I. c. 1 u. 3, ebenda c. *21 u. lib. UI. c. 0. — Hinsichtlich 
des anderen Punktes, was nämlich das aromatische Moos der 
Alten gewesen sei, macht er sich ziemlich wenig Sorge, der 
einzige von ihm angeführte Grund scheint mir wenig stichhaltig: 
Wenn die Ceder, wie ich nach Plixius citire, in zwei Arten 
nuftritt 2 ind (wie ich es alsbald für den Wachholder bestätigen 
werde) die, welche blüht, keine Früchte trägt, die Fnicht tra- 
gende aber nicht blüht, dann sind hier jedenfalls die Blüthen 
dasselbe wie die moosartigen Gebilde [ßgvcjdi] des Theo- 
PHRASTUs]. Ein Beweis dafür, wie er ihn bringen möchte, 
würde auch die Bezeichnung Moos für den Hopfenzapfen sein. 
Schliesslich was hindert uns an der Annahme, dass der Zusatz 
zu den Salben die Kätzchen gewesen sind? Von der Pappel 
wenigstens nimmt man die Augen oder Knospen, doch waren 
die Trauben vorgeschrieben oder die ährenförmige Blüthe [flos 
■/.axQV(iidi]g]. Bei dieser Ueberlegung fällt mir noch etwas 
Anderes ein: wie bisher den Bäumen, so kann man auch ge- 
wissen Moosarten ein Kätzchen zuschreiben: das keulenförmige 
Kätzchen, von dem ein auf der Erde kriechendes Moos seinen 
Kamen hat, verdient diesen Namen in der That'*'^), denn es 
strotzt von einem ganz ähnlichen, entzündlichen und so reich- 
lichen Mehl, dass es zur Erzeugung von Feuerwerk dient, 
ebenso pflegt man es zur Räucherung mit einem harzigen 
Pulver zu vermischen: auch erinnere ich mich, dass es die 
Grundlage für das sogenannte cyprische Pulver 3») gewesen sei, 
während andere das gewöhnliche pulverisirte Baummoos zn 
diesem Zweck benutzen. — Doch wenden wir uns zu etwas 
xVuderem. Die Bienen sollen an dm Kätzchen hinaufkletternd 
Wachs mit der Spitze der vorderen Fasse sammeln (nach 
Aristoteles Hist. Animal, lib. 0, cap. 40), sie sollen das 
Wachs bereiten, wenn die Bäume blühen [ocav ^ a»'^/)); 

und darauf bezieht sich auch der Ausdruck »Blumentragen« 



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Ueber das Geschlecht der Pflanzen. 



11 



{icrd-otf'OQEn'], als eines der Geschäfte, die ihnen zngeschrieben 
werden.*^) Ebenso giebt Puxius (lib. 11, cap. 8 und 10) an, 
dass die Bienen das Wachs aus den BUithen bereiten, dass sie 
die BUithen mit ihren Füssen Zusammentragen, sammeln. Das 
bezieht sich freilich nicht auf die Blumenblätter, wie auch der 
Commentator Caesar bemerkt: »nicht die Blüthen, somlern 

den Schleim von den Blüthen* ; unter den Kätzchen 
will er nämlich nicht die Blüthen, sondern irgend welche 
Sprosse verstanden wissen. (An einer anderen Stelle freilich, 
im Commentar zu Theophbastus de Causis Plantarum lib. 2, 
cap. 15, erkennt er das Bryum als Vertreter der Blüthe an; 
wahrscheinlich will er seine frühere Meinung einmal durch 
eine andere ersetzen. Heutzutage kennt man die Substanz 
des Wachses besser und lässt sie herrühren von den schon 
erwähnten Körnchen aus den Staubbeuteln der Blüthen, welche 
die Bienen mit ihren Füssen ergreifen und mit sich führen 
und nach deren Verschiedenheit sich auch die Farbe des aus 
verschiedenen Pflanzen gesammelten Wachses richtet: dies wird 
dadurch bestätigt, dass man unter dem Mikroskop in dem 
Wachs noch die Körnchen der Blüthen oder Staubgefässe, von 
denen sie genommen sind, erkennen kann; nach Act. Anglic. 
Giornale de Lett. a Parm. A. SO, n. 7.^*) Der bekannte Autor 
der Georgien curiosa giebt an, schon Colerus habe gemeint^’), 
dass das Wachs wirklich aus den Kätzchen bereitet werde, 
>aus den Palmen« [Palmkätzchen] »oder Zäpfiflein« der Haseln 
^Corglus . Raju.s aber sagt: »nichtig ist twi Grevv beobachtet 
norden, dass diese Kügelchen oder samenförmigen Körparhen, 
die in den Fäeha'n der Staubbeutel eingeschlossen sind, die 
Substanz bilden, die die Bienen sammeln und an ihren Beinen 
tragen, was man bei uns das Brod der Bienen nennt. Das 
Wwhs nämlich tragen die Bienen im Munde, den Honig im 
Magen nach Hause. < Das sind nun wohl so die Beobachtungen 
der Bienenzüchter. Ich will aber nun endlich mit dieser Ab- 
schweifung zu Ende kommen; w'ährend Salmasius das »amen, 
amentnm« als »apimentum« erklärt und es von dem alten Worte 
apo (apio), was »ich knüpfe, binde« bedeutet, ableitet, findet 
sieh eine andere Erklärung dieses Kaniens in der Dendrologia 
Aldrovandina des Oviuius Montaei!ANus^*>) ; dort aber sagt 
er; »Etwas nutdoses, gerade so wie die Wa.sserreiser an den 
Bäumen, sind jene tauben Blüthenbildungen, die amentn [Kütx- 
ehen\ genannt werden, gleichsam vom Kinn [a meyitd] herab- 
hängende wollige Bärte, deren zu ra.sch vergänglichen Haaren 



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12 



R. J. CamerariuB. 



andere dauerhaftere folgen. Von dieser Wolle \lanugo'\ der 
Bäume, die, als dem Erstlingsbart beim Jilaischen ähnlich, mit 
passenderem Namen, julus [die ersten Haare am Bart eines 
jungen Mannes'l genannt wird, nenmn die Meisten die KätxcJien 
auch julus oder Julius. * Aber es verlohnt nicht der Mühe sich 
hiermit länger aufzuhalten, mögen sie heissen woher und wie 
sie wollen, wenn ihnen nur keine falsche Bedeutung zuge- 
schrieben wird: weder unnütze Haare, noch Anfänge der 
Zapfen sind diese Zäpfchen der Bäume [nec nueum rudimenta 
sunt haec arborum nucamenta]. Nur das will ich noch hinzu- 
fügen: neulich hat man auch gewisse Gallen an den Kätzchen 
der Eichen bei Schloss Asperg in meiner Heimath gefunden 
und allgemein für Trauben angesehen und sogar in den Zei- 
tungen ist von ihnen die Rede gewesen; ich habe deswegen 
gewünscht, dass die physisch-botanische Erläuterung davon 
diesem Brief beigefügt werde, wie ich ja auch die Rede über 
jenes Thema bei der Promotion der Candidaten dem Ver- 
ständniss meiner Zuhörer angepasst hal)e; übrigens hat Chah- 
KASius^®), wie ich höre, aber noch nicht selbst gesehen habe, 
ähnliche Gebilde beschrieben.*) 

Es giebt einige andere Kräuter aus der Klasse der blnmen- 
blattlosen, bei denen eine neue Beziehung der Blüthe znm 
Samen auftritt. Beim Bingelkraut [Mereurialis] nämlich, beim 
Hanf [Cannabis] , Spinat [Spinaeia] und Hopfen [Hmnulus] 
pflegen die einen Stöcke Blüthen, die anderen Samen zu 
tragen; das heisst, wenn man von derselben Pflanze die ge- 
hörig reifen und keimfähigen Samen in denselben Boden 
bringt, sieht man zweierlei Pflanzen ans ihnen hervorgehen, 
die im allgemeinen ähnlich sind und von allen auch gleich 
genannt werden, bis sie sich zur Fortpflanzung rüsten und 
mau sodann bemerkt, dass die einen nur Blüthen, d. h. die 
Staubbeutel der Staubgefässe tragen und gänzlich ohne Frucht 
und Samen bleiben, jene aber Früchte tragen, dafür aber der 
Blumenblätter und Staubbeutel durchaus entbehren. Dies ist 
meinem seligen Grossvater so wunderbar und merkwürdig er- 
schienen, dass er es in der !). Centurie seiner Sylloge Memo- 
rabilinm aufgenommen hat.^*] Die Vorboten der Samen in 
der fertilen oder fruchttragenden Pflanze sind die Grifl’el oder 
die krausen Federchen, die der Frnchtanlage aufsitzen, wie 



*) Diese Erläuterung ist nicht beigefügt, da sie dem Gegen- 
stand, von dem wir sprechen, zu fern liegt. (Anm. des Gmelik.) 



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lieber das Geschlecht der Pflanzen. 



13 



ich in den vorhergehenden Paragraphen bemerkt habe. Die 
BKlthen aber pflegen Aestchen zu sein, die mit Staubbeuteln 
beladen sind, die Behälter und Bewahrer des Pollens, von 
vielfacher Gestalt. Die runden Kapseln des Bingelkrautes 
vergleicht Jungius mit den Blüthen der Kaper [Capparis\ die 
wir essen, nur dass diese grösser sind; auch bemerkt er 
richtig, dass die blüthentragenden und samentrageuden Pflan- 
zen sich der Art nach nicht unterscheiden, schreibt aber der 
verschiedenen Behandlung der Pflanzen einen zu grossen Ein- 
fluss zu, indem er sagt^'^): >Wmn man dem Hanf die Zweige 
schiessen lässt, trügt er Samen, wenn man ihn aber so zieht, 
dass er ohne Zweige schlank emporwächst, trägt er Blüthen 
ohne Früchte und dieser ist zur Fasergewinnung geeignet.* 
Der fleissige Bock*^) aber sagt; »Diese beede wachsen von 
einerley Saamen, wie es aber in der Erde Zugang, dass einer 
fruchtbar, der andere unfruchtbar bleibet, ist ein Geheimniss der 
Natur.* Im Allgemeinen und üebrigen nimmt man zwar an, 
dass die sterilen blüthentragenden Pflanzen aus mangelhaften 
Samen hervorgehen oder durch Nachlässigkeit in der Cultur 
entartet sind, aber es zeigt sich hierin eine solche Beständig- 
keit und die einzelnen derartigen Stöcke verhalten sich so 
gleichartig beim Blühen, dass hier noch etwas ganz anderes 
zu Grunde liegen muss; denn man kann die unbebauten Plätze 
auf dem Felde und die Beete in den Gärten, die mit beiderlei 
Pflanzen besetzt sind, prüfen und dort allgemein bemerken, 
dass nebeneinander und durcheinander die durch Blüthe und 
Frucht derartig unterschiedenen Pflanzen wachsen; während 
die fertile die Früchte erzeugt oder die ersten Anlagen der 
Samen hervorbringt, belädt sich die sterile mit den Staub- 
beuteln der Blüthen und streut eine Masse Blüthenstaub aus, 
wenn sie erschüttert wird. 

Derselben Erscheinung begegnet man bei gewissen Bäumen. 
Wenn man sich auch mit geringerer Sicherheit auf ausländische 
Beispiele stützen kann, in so fern sie nicht aus eigener An- 
schauung bekannt sind, so bezeugt es doch Tiieophkastus 
von der Palme und hierin stimmen ihm viele Schriftsteller, 
sowohl ältere als auch neuere bei; »die eine blühe, die andere 
bringe später die Früchte- und bei dieser können die Früchte 
niemals zur Beife kommen, wenn man nicht die Blüthe der 
erstcren mit ihrem Staube über sie ausgeschüttelt habe.**^) Was 
er über die analoge Erscheinung der Caprification ausführlich 
angiebt, sei denen empfohlen, die so etwas in ihrer Heimath 



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14 



R. J. Cameraxins. 



beobachten können. Ich kann mich aber auf eigene Erfah- 
rungen stützen, wenn ich ihm darin getrost znstimme, was er 
über den gemeinen Wachhol derstrauch schreibt i^Hist. lib. 3, 
cap. (I); ^Einige sagen, dass es zweierlei Wachholdcr gebe wid 
zwar einen, der blühe, aber keine Frucht bringe, einen anderen, 
der nicht blühe, aber alsbald die Frucht zeige.* Dies bestätigt 
nämlich die Erfahrung leicht und sie zeigt, dass Puxius dies 
leider unrichtig angieht (lib. 16, cap. 25). ■*^) Wenigstens er- 
hebt sich, wenn wir im Frühling durch einen Bestand von 
Wachholdern wandeln, jener allerfeinste gelbe Staub wie ein 
Rauch in grosser Menge, wie es schon einst H. Bock bemerkt 
hat [*im Mayen sichet mein ein gälen Staub von diesen Bäumen 
fahren, das muss die Blüt seyn.* So heisst es wenigstens 
in meiner deutschen Ausgabe von Sebizius; Ra.tus aber be- 
hauptet, dass dieser Staub von Bock Samen genannt worden 
sei, indem er den Jon. Bauhin tadelt, dass er statt Samen 
Blüthe geschrieben habe).^“) Durch diesen Staub wird man 
beim Durchschreiten zu einer Betrachtung der oflenbaren Ver- 
schiedenheit des Wachholders förmlich eingeladen: nämlich 
nicht alle Sträncher entsenden den Staub, wenn man mit dem 
Fuss au sie stösst, obgleich sie sich vollkommen ähnlich sind, 
sondern nur jene, deren Zweige mit den zahlreichen aber 
kleinen aufrechten Zäpfchen besetzt sind, nicht aber die, 
welche Beeren tragen, und unter einer grossen Zahl derartiger 
Sträucher habe ich bisher auch nicht einen einzigen finden 
können, wo auf demselben Individuum beides zugleich ge- 
wesen wäre, Blüthe und Beere. Während also dieser Wach- 
holder die Anlagen der Beeren treibt, bestäubt jener, der mit 
ersterem denselben Standort theilt, sich und seine ganze Nach- 
barschaft mit seinem Pollen, der vom Wind auseinander ge- 
blasen wird. So giebt es auch zweierlei Maulbeerbäume 
[Morus\ einen mit Beeren und ihren Federchen oder Griffeln, 
den anderen mit Blüthen, beziehungsweise Staubbeuteln; daher 
heisst es in der Flora Altorfensis^'): Der Maulbeerbaum hat ver- 
schiedene Blätter, eine moosartige oder kätzchen förmige taube 
Blüthe, er bringt im Anfang des Frühlings ein sehr langes 
Zäpfchen herior. Ebenso ist es beim Lorbeer, von dem Theo- 
I’HIIASTUS sagt, dass er keine Frucht, aber Moos trage, 
ßQvöepogov [moostragend] nennt er ihn und an einer anderen 
Stelle ßoTQVÖiov [traubentragend], er schreibt ihm also eine 
Traube zu, die auch der fruchtbringende Lorbeer tragen soll, 
wenn auch nicht jeder, so doch eine gewisse Art von ihm. 



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Ueber das Geschlecht der Pflanzen. 



15 



Läufiger aber der sterile. Hierin irrt er vielleicht und richtiger 
sagt Magxoi. *In dm Gärten bemerkt tnan bcjionders xwei 
tinterschiedliche Sorten, eine nämlieh die Beeren trägt und ge- 
ivöhnJich Baguicr genannt tvird, ii^’einc andere, die nur 
Blütiicn bringt und einfach Laurier genannt u ird < ; unser 
blühender Lorbeer im Garten ist bisher nämlich immer steril 
gewesen. Zu untersuchen ist, ob der Sevenbaum [Juniperus 
Sabina], die Eibe [Tkrw.s] und andere hierhergehören; ebenso 
die Esche [FraxtHMs], von der nach Hüfmann im Garten 
zwei Arten gezogen werden, deren eine steril ist und ihre 
Hlilthen vor dem Erscheinen der Blätter, gleich wie Kätzchen, 
abwirft, deren andere fruchtbar ist und ihre Blflthen zur so- 
genannten Vogelzunge der Apotheken werden lässt; RA.n s 
freilich scheint das Gegentheil davon beobachtet zu haben. ä") 
Inzwischen bin ich noch nicht im Stande gewesen die Ver- 
niuthung des .luxoirs mit den Erscheinungen in Einklang zu 
bringen: nach ihm nämlich sollen jene Bäume, erst wenn sie 
älter sind, zu blühen anfangen und entweder in dem einen 
.Jahre blühen, in dem anderen fruchten, oder wenn sie einige 
.Jahre geblüht hal)en ohne Fruchte anzusetzen, darauf Früchte 
ohne vorangehende Blüthen bringen.^*) 

Bisher habe ich nur aufgezählt, wie in den verschiedenen 
Geschlechtern der Pflanzen die Staubbeutel der Blütheu und 
die Griffel der Früchte bald vereinigt, bald nach Zweigen ge- 
trennt, ja sogar auf verschiedene Individuen der Pflanzen ver- 
theilt sind, jetzt kann ich aus dem Fehlen der ersteren ihre 
Nothwendigkeit schliessen, dass nämlich ohne dieselben kein 
Samen gebildet wird und die Pflanzen, wenn sie der Staub- 
beutel entbehren, auch der Früchte entbehren müssen. Von 
der ersten Klasse dieser Pflanzen, die ausser Staubbeuteln 
auch Blumenblätter besitzen, will ich nur zwei Beispiele aus- 
wählen. Das erste, das ich neulich im letzten Bande der 
deutschen Ephemeriden besprochen habe^"'^), besteht in gewissen 
zusammengesetzten strahligen und scheibenförmigen Blüthen 
(zu den a. a. O. citirten Blüthen, die man vergleichen wolle, 
kommt nach neuerer Beobaclitung das Kuhrkraut [Gnaplialium] 
und die Eberwurz [Carlina] hinzu), bei denen der Pollen der 
Staubbeutel in jener Scheide entsteht, die den mittleren Theil 
des dem Samenbehälter aufsitzenden Griffels nmgiebt und liin- 
durchgehen lässt; hier entbehren tiotzdem nicht selten gewisse 
äussere Strahlbltithen zum Theil sowohl der Staubbeutel als 
auch jedes Anzeichens eines Samens, zum Theil haben sie 



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16 



K. J. Camcrarins. 



zwar die »Samenblilsclien und deren Umhüllung:, aber diese 
sind leer und taub, ohne das gehörige Keimpflänzchen, und 
dem entspricht auch ein unvollständiger, verschrumpfter und 
die Stanbbentelröhre nicht gehörig durchsetzender Griffel. Das- 
selbe sehen wir in der Klasse der Röhrenblnthigen an der 
Kornblume [Centaurea Q/amw] ; sie trägt nämlich zweierlei 
Hlüthcheii: erstens raudständige, die bei der gemeinen Korn- 
blume der Felder wie Strahlen um die mittleren herumstehen, i 
eine trichterförmige Gestalt besitzen mit etwas gelappter Mün- 
dung, und in eine dünne lange Röhre ausgehen, in der sich 
nichts derartiges wie Staubgefitsse , Staubbeutel oder Griffel 
findet; auch sitzen sie auf tauben und leeren Samenbehältern. 
Ausserdem aber giebt es in der Mitte kleinere fruchtbare 
Rlüthen, die gleichmässig in fünf schmale längliche Zipfel ge- 
spalten sind und aus denen ein deutlicher Griffel, mitten durch 
die Röhre des Mantels hindurchgehend, voll Pollenstaub her- 
vorragt, und unter ihm sind grössere vollkommene Samen: 
beide Blüthen sind von Malimgiii abgebildet. Ein anderes 
deutliches Beispiel bietet der Wasserhollunder [Viburniini 
Oputus], ein beerentragender Baum mit auffallender weisser 
Blütheudolde. Bei ihm giebt es auch zweierlei Blüthen; die 
äusseren, die von den inneren weit verschieden sind und ein 
fünftheiliges Blumenblatt aber keinen Griffel und keine Staub- 
beutel besitzen, sind und bleiben steril, sie fallen ohne jemals 
Samen anzusetzen ab; die Beeren nämlich entstehen nur aus 
den in der Mitte der Dolde stehenden, mit den Staubbeuteln 
richtig ausgestatteten Blüthen. Bock nennt diesen Hollunder 
»Schwelcken« : »Die Schtveleken haben xu rings umher grosse 
ireissc Violen, eine jede, mit vier Blättlcin, die segnd um die 
andern kleinen iceisscn gestirnten Blmnlein (ds Hüter, oder 
Wächter gesetxt, die gekrönte Blum xu beschirmen, t Mit den 
ersteren IJlumenblättern allein ist der gefüllte Hollunder [Vi- 
burniim Opulus var. i-osea], der in den Gärten gewöhnlich 
gezogen wird, geschmückt, bekannt wegen der Aehnlichkeit mit 
dem Schneeball, dem er seinen Vulgärnamen verdankt; er ist 
.als gänzlich steril und der Früchte baar bekannt, wie von den 
(Gärtnern und Botanikern bestätigt wird. Sonst nennt man 
die blumenblattloseu Blüthen der Pflanzen unvollkommene.'”*) 
Vielmehr aber müsste man, wie es scheint, unvollkommene 
Blüthen die nennen, die mit schönen Blumenblättern geschmückt 
sind, aber der Staubbeutel oder des Griffels entbehren, denn 
diese, nicht jene fallen, ohne Samen anzusetzen, ab. Oder 



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Ueber das Geschlecht der Pflanzen. 



17 



aber, da die Bltithe zur Frucht bestimmt ist, sollen wir vou 
einer Pflanze sagen, dass sie geblüht habe, wenn sie nur 
Blumenblätter trägt ? 

Hier muss ich etwas genauer auf die Betrachtung der 
Blüthen eingehen, die durch die Cultur zu gefüllten werden 
können. Sie sind nämlich häufig in dem Sinne unvollkommen, 
dass sie zwar Blumenblätter besitzen, aber selten Samen bringen. 
Jetzt wünschte ich mir aber einen Lehrmeister herbei, wie ihn 
Feurarius im 4. Buch, Cap. 8 seiner Flora rühmt. Vieles 
würde ich dann erkundigen in Betrefif jener Kunst, was ich 
so kaum hinreichend auseinandersetzen kann. Es ist ja be- 
kannt, wieviel die geleistet haben, die von der Lust an den 
Blumen oder am Ge^vinn verlockt, von einem günstigen Klima 
und geeigneten Boden dabei unterstützt, und von unermüd- 
lichem, durch die Freigebigkeit Anderer noch erhöhtem Eifer 
angetrieben, seltene Schönheiten in den Blüthen glücklich er- 
reicht haben. Dreierlei will ich hier besonders berücksichtigen: 
Erstens ist, wie mir scheint, zu untersuchen, welche Blüthen 
und auf welche Weise sie künstlich zu gefüllten werden können 
und es zu werden pflegen. Auf die Methoden und Kunstgrifle 
will ich nicht näher eingehen, da ich weiter nichts Vorbringen 
kann, als was man auch in allen botanischen Büchern ge- 
wöhnlich findet. Was also der Verschiedenheit des Klimas, 
des Bodens und der Nahrung oder dem Zufall oder irgend einem 
unbekannten Umstand von Kajus zugeschrieben zu werden 
pflegt^®), dass nämlich aus den Samen einfacher Blüthen 
unter zahlreicheren wiederum einfachen auch einige gefüllte 
zu entstehen pflegen, das streben die Gärtner auch auf künst- 
lichem Wege hervorzubringen: sie empfehlen dazu eine ge- 
eignete Aussaat, häufiges Umsetzen, Pfropfen u. dergl. Bei- 
läufig erwähne ich hier, was ich selbst hinsichtlich der 
allbekannten Maassregel beobachtet habe, dass man Samen 
und Zwiebeln, aus denen gefüllte Blumen entstehen sollen, zu 
keiner anderen Zeit als vor dem Vollmond einpflanzen dürfe. 
Als nämlich mein verehrter Vater, der sich für seine leider 
wankende Gesundheit durch die Freuden der Blumenzucht zu 
entschädigen gewohnt war, einige der knolligen Wurzeln des 
llahnenfnsses [Banunculus «sioticHs L.] um die Zeit des Neu- 
mondes, andere vor dem Vollmond in dieselbe Erde setzte und 
aufzog, da war auch nicht der geringste Unterschied in der 
Füllung der Blumen zu ihrer Zeit zu bemerken. Ich komme 
nun zu den verschiedenen gefüllten Blüthen selbst, für die ich 



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18 



R. J. Camerarins. 



folgendes Schema aufgestellt habe; die fehlenden sind danach 
leicht zu ergänzen. Von Bäumen sind es: 

von Kernobst: Apfel, Birne, Granate [Maiitn, Pirm, Puuica' . 
von Steinobst: Pflaumen, Pfirsiche, Kirsche [Prunus, Persica, 
Orasus'\. 

von Beerenobst: Frucht mit vielen Kernen und vom Kelch 
gekrönt: die Myrte [Jl/yr/n.'j]; Frncht, die bald Beere, bald 
Apfel genannt wird: die Rose ; Frucht nicht vom 

Kelch gekrönt, mit einem Kern: der Schneeball Samhuciis 
ntiunticai: = Viburnum Opulus]-, mit zwei Kenien: der 

Jasmin 

Von Kräutern sind es: 

Mit scheibenförmiger, strahligcr Blüthe: Wucherblume [Chn/- 
sautlicmum] , Ringelblume [Calendula], Gänseblflmchen 
[7^7/(.v], Mutterkraut [3Iatricaria], Kamille [Chamaemelwn 
= Anthemis], Bertram [Ptarmica = Achillaea ptarniica], 
Sammtblume Strohblume [Xeranthemum], 

Mit (vielen, freien Fruchtknoten [G pmnopohfspermae], Oster- 
luzey [Clcmatitis — Aristoloehia Clrmafitis], Anemone 
\Ancmonc], llahnenfuss [Itanuneulus' , Feigwarzenkraut 
[Cheliduniuni minus = Pnnunculus Ficaria], Leberblüm- 
chen [Ilrpatim nuhilis], Erdbeere [Fraparia], Malve [J/a/ra], 
Mit geliörnten Früchten [Cornieulatae]: Päonie [Paeo>iia], 
Sumpfdotterblume [CaWia], Trollblume [TroUius], Akeley 
[A(iuilepia'i , Rittersporn [Consolida regalis = Delphinium 
ConsuUda], Schwarzkümmel (A'/^c//a]. 

Kreuzblüthler mit Schoten [Tetrapetalae siliquosac]: Lack 
[CUeiri = Cheirantlius Cheiri], Levkoye Lcicojum = 
Cliriranthiis ineanus], Kachtviole [Ilespcris ; und mit viel- 
theiliger Kapselfrucht der Mohn [Paparer . Hier kann mau, 
bei Vernachlässigung der Blüthenverhältnisse, anfügen den 
Stechapfel Datura] mit viertheiliger Kapsel und den Ei- 
bisch [Althaea = Hibisrus] mit fünftheiliger Kapsel. 

Mit fünf Blumenblättern [FV«/(77W<7 /uc' : Lichtnelke [LycAnis], 
Nelke Caniophi/Uus , Veilchen [T7o/<7 . 

Mit fünfspaltiger Blumenkronröhre Prntaprtaloideae]'. Schlüs- 
selblume Paralysis = Primula rcris], Aurikel [Auricuh 
ursi = Primula Auricula]. Sinngrüu [Clematis = 
minor . Oleander Xerium\ der von einigen auch zu den 
Bäumen gerechnet wird.^'j 

Knollen- und Zwiebelgewächse ’Bulbos'u': Lilie [Lilium], 



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Ueber das Geschlecht der Pflanzen. 



19 



Kaiserkrone Corona imperittUs<i- = Fritülaria imperialk], 
Fritillarie [*Fr{tillaria< = Fritillaria 7ncka(jris], Tulpe ITj«- 
Upa], riyacinthe [Hijacintlius], Sclmeeglöekchen \Levcojum 
bulbomm = L. vcrnum], Narcisse [iVarcmits], Herbstzeit- 
lose [Colchicum], Alpenveilchen [Cyclamen], Weisswurz 
[Pohjgoimtum], 

Iin Gegentheil werden die IllUthen nicht gefüllt bei allen 
übrigen Bäumen und selbstverständlich bei denen, deren Blüthe 
keine Blumenblätter hat und ein Kätzchen ist ; von den Kräu- 
tern aber ebenso bei denen ohne Blumenblätter und den meisten 
übrigen, die in den genannten Klassen als einfache übrig blei- 
ben, besonders den milchsaftführenden Compositen [Fapposae 
lactcsceniea] , deren Blüthe sonst eine von Natur gefüllte ge- 
nannt wird; bei den Compositen mit Röhrenblüthen [Capitatae 
seu flore fiatuloso]', bei den Corymbiferen [Corymbiferae] mit 
nackter oder scheibenförmiger Blüthe ohne Strahlen; bei den 
Stellaten [SicUatac] ] Doldenpflanzen [Umbelliferae]', Kauhblätt- 
rigen [Asperifoliae] ; Lippenblüthleru Voiicillatae = Labiatac]', 
Pflanzen mit einem nackten Samen [ Oymywmonospcmiac] ; Ver- 
wachsenblüthigen [Monopctalae = Sympetalae] ; bei den Kreuz- 
blüthlern mit Schötchen [Tetrapctalae = Cruciferae süiculosac^ ] 
Schmetterlingsblüthlern Papüionaceac]', Beerentragenden [Bacn- 
fcrae] ; Kürbisartigen [Pojyiiferae = Cucurlntaceae]A^) Diese 
sind ganze Klassen, bei denen ich keine gefüllten Blüthen 
bemerkt habe. In den Catalogen zwar finde ich gewisse 
Blüthen citirt mit der Bezeichnung »roseus* [gefüllt], z. B. 
Cichorie [Cichoremn], Winden [Convolrulus], Löwenmaul [Antir- 
rhinum] u. s. w., wie es aber mit dem Gefülltsein dabei steht, 
ist mir nicht ganz klar. Unter den Verwachsenblüthigen macht 
der Stechapfel eine Ausnahme. Von den röhrenblüthigen Com- 
positen können die Blüthen, welche zweierlei Einzelblütheii 
besitzen, gefüllt werden und auch so genannt werden , wenn 
nämlich die Randblüthen vermehrt werden und so ein vollerer 
Kranz die Mittleren umgiebt oder auch die Randblüthen die 
Mittleren ganz verdrängen ; derart giebt es aber wenige , und 
ausser den Kornblumen vielleicht keine, die, wenn sie als ge- 
füllt bezeichnet sind, auch wirklich als so gebaut anzunehmen 
sind. Hierauf beziehen sich die Worte des Raji’s über die 
Scabiose [jacea nigra pratensis = Centaurea Jacea ; Im west- 
lichen Thcilc von Englaml hat man eine Varietät derselben mit 
der Blüthe der Jacea major [Centaurea Scabhsa L.\ d. h. mit 
einem Band oder Kranz grösserer oder längerer Einzelblüthen 

Ostwald’s Klassiker. 105. 3 



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20 



R. J. Camerarius. 



am Rande, nach Art der Kornblumen; und diese kommt nicht 
weniger häufig, als die gewöhnliche dort vor. Von dieser Varietät 
hat eine andere Varietät Tn. Wii.uski.lus beobachtet und unn 
Jeennen gelehrt, deren Bliithe gefüllt ist und gändich aus solchen 
Einxelblüthen besteht, wie sic dort am Ramie stehen, also läng- 
lichen und ansehnlichen.^'') An die gefüllten Blütheii vei- 
dienen die sogenannten prolifcrirenden angereilit zu werden, 
denn auch sie stellen bald eine Art Füllung dar , wie die 
doppelten und dreifachen TUüthen der Primel [Rrimula rem], 
bald sind sie zugleich gefüllt und proliferirend, wie der gelbe 
knollige Hahneufuss [Ranunetdus asiaticusf. ferner entstehen 
bei zusammengesetzten BlUthen am Rande Sprossungen, wie bei 
der Scabiose, dem Gänseblümchen, der Ringelblume [Scabiosa, 
Bcllis, Calendula], oder es entstehen andere, die kleiner als die 
Mutterblüthe sind, an deren Rande. Eine ganz andere Bewandt- 
niss hat es mit den vielblüthigen Bilanzen, deren Blüthen nicht 
in der Form, sondern nur in der Anzahl %'erändert sind und 
einen ausserordentlichen Schmuck des Bltttheustengels bilden; 
von dieser Art war die vielblätterigc Feuerlilie [Lilium eroceum], 
welche in den Ephemeriden (dec. UI, Ann. 1. Obs. 112) ab- 
gebildet ist.*>“) Es ergiebt sich also, 1) dass das Gefülltsein 
nicht überall auf demselben Umstande beruht; denn die ange- 
führten Blüthen werden gefüllte genannt theils wegen der Ver- 
mehrung der Blumenblätter, z. B. der Hahnenfnss [Rammc^du.s 
theils wegen einer Verdoppelung der Blumenkronröhre, z. B. 
Datura, theils weil die Strahlenblflthchen vermehrt sind und 
die Stelle der mittleren Blüthchen einnehmen, wie bei der 
Ringelblume [Calenduld]', 2) dass nicht nur eine Pllanzenklasse 
vor der anderen geeignet ist, gefüllte Blüthen zu besitzen, 
was besonders an den Zwiebelgewächsen hervortritt, deren 
schöne Blüthen giösstentheils gefüllt gezogen werden (vielleicht 
weil sie besondere Lieblinge der Blumenzüchter sind?), sondern 
auch, dass in derselben Klasse einige wenige, ja sogar nur 
eine Art gefüllt sein kann, während die anderen ihr nahe- 
stehenden und verwandten ungefüllt bleiben, 3) dass die ver- 
wachscublätterigen symmetrisch gebauten Blüthen''') seltener 
gefüllt werden, häufiger und leichter aber die übrigen, und 
die, deren Blumenblätter getrennt sind. Tiieopiirastus sagt 
(Hist, plant, lib. I, cap. 21) über die Blüthen der Bäume: 
»Unter den cultivirten giebt es keinen mit xiveifarbiger oder 
gefüllter Blüthe, sondern wenn ein Baum solche hat, ist es sicher 
ein wildwachsender. Aber hei den einjährigen Rflanxen kommen. 



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lieber das Geschlecht der Pflanzen. 



21 



grossentlieils aolche vor, sotvohl xweifarbirje als auch gefüllte.* 
Die gefüllten nennt er bald rcc arO-ojöij, bald öittu&l'i, erstere 
scheinen bei ihm solche Blüthen zu sein, die man jetzt zu- 
sammengesetzte nennt, denn er schreibt jedem Samen seine 
eigene Blüthe zu, wie bei der Distel [C'nfcMs]; die letzteren 
werden mehr durch künstliche Züchtung gefüllt, indem sie nach 
seiner Beschreibung in der Blüthe eine zweite in der Mitte 
tragen, wie es bei den Rosen, Lilien, Veilchen [i?osa, Lilium, 
Viola] ist. Was aber die beiden von ihm angeführten Ver- 
schiedenheiten betrifl’t, nilmlich einjährige und wildwachsende, 
so ist es nicht klar, in welchem Verhältniss dies zum Gefüllt- 
sein steht. Wir haben ja bei perennirenden und einjährigen 
Pflanzen gefüllte Blüthen, wofür als Beispiele die Nelken 
[Caryophyllus] und der Mohn [Papaver] angeführt werden 
können. Was aber unter süvcstre zu verstehen sei, ist nicht 
sicher. Was bei uns sativum [cultivirt] heisst, ist bei andern 
.‘iilve.'itre, ja dass alle cultivirten Pflanzen einst wilde gewesen 
seien, citirt und erwägt schon Scauger als eine Ansicht des 
Platon. Jetzt kommen wir zu einem anderen Punkte, von 
dem aus die gefüllten Blüthen zu betrachten sind, nämlich 
dass sie theils fruchtbar, theils unfruchtbar und steril sind. 
Zwar kennt man reife Samen nach gefüllter Blüthe, z. B. beim 
Mohn [Papaver] u. a. Erdbeeren aus solchen Blüthen habe ich 
selbst gegessen (deren Samen sich ebenso wie die anderen zu 
verlialten scheinen), Ka.U's'> 2) erinnert an fruchtbare Nelken 
[Caryophyllus'^, Wucherblumen [Matricaria], Kamillen [Chamc- 
melon = Antheniis], Hermann®'*) an seine spätblühciide, ver- 
zweigte, grosse Tulpe mit gefüllter buntgelber Blüthe, auf die 
iu einem wärmeren Sommer bisweilen ein länglicher, dreikan- 
tiger Knopf folgt, der grösser und stärker als bei anderen 
Tulpen ist und beim Aufspringen sechs Reihen von Samen 
zeigt wie bei den verwandten Arten. Unfruchtbare, gefüllte 
Blüthen, die abfallen ohne Samen auzusetzen, sind ganz be- 
kannt für den Knollenliahnenfuss [Panuneuliis asiaticus], Oster- 
luzey, Veilchen, Goldlack, Levkoje, Nachtviole [s. oben S. IS] 
und selbst wenn sie fruchtbar sind, so sind sie es nicht regel- 
mässig, sondern nur bisweilen. Bei solchen gefüllten Blüthen 
fehlen die Samen bald gänzlich und vollständig, so dass nicht 
einmal eine Andeutung des Samens oder seines Behälters auf- 
tritt, bald entstehen zwar die Samenbläschen, die zukünftigen 
Samenschalen, aber sie l)leiben hohl und taub und bilden 
keinen Keimling: zugleich vermisst man bald die Staubbeutel 

3 * 



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22 



K. J. Camerarins. 



der Staubfäden, bald auch den Griffel, indem den ihnen sonst 
zukommenden Platz die hier zahlreicheren Blumenblätter allein 
schon eingenommen haben. Wenn aber in den Blflthen die 
Kreise der vermehrten Blumenblätter den Staubbeuteln und 
dem Griflfel noch Platz lassen, so sieht man ihnen auch reife 
Samen folgen. Daher sieht man auch bisweilen gefüllte 
Blüthen, deren Staubgefässe den Blumenblättern angewachsen 
sind oder deren Staubbeutel nicht den Staubfäden, sondern 
den Blumenblättern aufsitzen, was ich beim Mohn öfters be- 
obachtet habe: so erwähnt Mai.pighi ®‘) auch, dass bei der 
Stockmalve [Malva arhorea] die Griffel und Blumenblätter in 
gefüllten Blüthen verwachsen , so dass an der Spitze eine 
Röhre hervon'agt, während sich unten der Samen oder das 
Bläschen (bisweilen vielleicht taub) befindet; in ähnlicher 
Weise fehlen nach seiner Beobachtung der Griffel und die 
Staubbeutel bei der Ilyacinthe [Hijacinthus], dem llahnenfuss 
{Bammcuhis^ und der Primel [Primula ?;em] und es tritt 
an Stelle der Staubgefässe ein gelber Flecken. Ocfters schon 
habe ich mich gewundert, dass die Blüthen der Päonie [Paeonid], 
die sich durch ihre Grösse vor den anderen auszeichnen , iii 
den behaarten und dicken Kapseln oder Hörnern die Menge 
der kleinen Körnchen oder Samenanlagen nicht zur Reife 
bringen; eben so oft habe ich auch [von anderen] erfahren, 
dass sie unvollkommen und ohne Keimling bleiben. Die nicht 
minder schönen Granatl)lüthen \halaustia = Punica G-ranatum] *•’’) 
zeigen auf dem Durchschnitt ebenfalls eine Menge Samen- 
köruchen, in geordneter Lage, in ihren Fächern, auch einen 
deutlichen Griffel, aber sie fallen ab, ohne hoflen zu lassen, 
einen Keim aus dem Samen zu erhalten. Diese beiden Blüthen 
entbehren des Vorzugs der Staubbeutel, die letztere jedoch 
mehr als die erstere, ))ei der zuweilen wenigstens Staubbeutel 
dazwischen verkommen, aber, wie es sich bei allen gefüllten 
Blüthen meistens verhält, wenige, nicht so viele, wie bei ein- 
fachen. Bei den scheibenförmigen Blüthen aber [der Compo- 
siten] , deren Randblütheu einen von der Staubbeutelröhre 
umgebenen Griffel besitzen, kann man in der Regel auf reife 
Samen hoffen, anders als bei denen, die, wie oben gesagt, 
jener Theile entbehren. Und hei dieser Gelegenheit verdient 
drittens untersucht zu werden, ob die keimfähigen Samen aus 
gefüllten Blüthen wieder gefüllte Blüthen erzeugen? Darauf 
ist nach R vjr.s ganz besonders zu achten, denn was sich nicht 
beim Aussäen fortpflauzt, hält er für ein Naturspiel und erkennt 



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üeber das Geschlecht der Pflanzen. 



23 



daher die Füllung der Blflthen nicht als einen wesentlichen 
Unterschied an, eben ans dem Grunde, weil solche Varietäten 
sich durch die Samen nicht fortpflanzen. So wenigstens 
sagt er im allgemeinen Theil seiner Botanik, im speciellen 
aber giebt er selbst Beispiele an, die dem zu widersprechen 
scheinen: Der Samen der grossen vielblüthigen Ringelblume 
[Calemlula officinalis] soll seine Art meistens fortpflanzen und 
niemals, soweit er erfahren, den Samen der kleineren Ringel- 
blume [Calemlula arvensis\ hervorbringen; dasselbe hält er 
nach Parkinson von dem perennirenden grünen Akeley [Äqjii- 
legin perennü virescemy^}, dessen Samen ebenfalls seine Art 
constant fortpflanze und nicht Pflanzen anderer Art erzeuge. 
Bemerkenswerth ist, was er aus dem Clusius über die Päonie 
mit gefüllter rother Blüthe anführt; ihrer Fmchtbarkeit war 
die Füllung nicht hinderlich gewesen, denn, wie er citirt, 
waren aus ihren Samen drei verschiedene Pflanzen entstanden, 
die im Stengel, in den Blättern und in der Wurzel vollständig 
ihrer Mutterpflanze glichen, von denen jedoch nur eine im 
dritten Jahre eine Blüthe brachte, die zwar dieselbe Farbe 
wie die Blüthe der Mutterpflanze hatte, aber einfach war und 
aus einer Reihe von 6 Blättern bestand; die andere aber 
brachte eine Blüthe, die der byzantinischen Art glich, nämlich 
eine einfache Reihe von acht Blättern, aber eine tiefer und 
gesättigt rothe, ans schwärzliche grenzende Farbe hatte; die 
dritte trug eine gefüllte, dabei etwas grössere Blüthe von der- 
selben Farbe wie die der Mutterpflanze, und in jedem Jahre 
brachte sie Hörnchen oder Nüsschen, von denen einige mit 
einem Samen versehen waren. Dieselbe Unbeständigkeit habe 
ich selbst bei den Samen der Strohblume [Xerantfmmcm] be- 
obachtet, die von einer gefüllten Blüthe stammten und eine 
Menge einfacher Blütheu hervorbrachten: eine einzige Pflanze 
fand sich unter der Menge der übrigen, deren Blüthen wieder 
gefüllt waren. Anders war cs beim Rittersporn [Dclphimum , 
indem dieser mir wiederholentlich aus dem Samen einer ge- 
füllten Blüthe lauter gefüllte Blüthen brachte. Wie also gefüllte 
Blüthen sich leichter bei den Pflanzen erhalten, die durch Ab- 
leger oder Wurzeln vermehrt werden können, wie es beispiels- 
weise die Nelken und Ranunkeln zeigen, so ist andererseits der 
Erfolg bei der Vermehrung durch Samen weniger sicher, denn 
dabei kehren die Blüthen bald zur Einfachheit zurück, bald 
bleiben sie gefüllt. Es scheint zwar nicht gut möglich zu sein, 
dass dem Samen aus einer gefüllten Blüthe irgend etwas 



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24 



R. J. Camerarius. 



zugehe*); denn was hat der Samen der Strohblume mit der Ver- 
mehrung der Randhlilthen zu schäften, da er sich ja nicht unter 
diesen, sondern nur unter den Scheibenblllthen befindet? Im 
Gegentheil scheint vielmehr dem Samen etwas abzugehen, nämlich 
alles das, was für die Blumenblätter über Gebühr ver«'endet 
wird; dazu kommt, dass das Gefülltsein dem Samen immer zu 
einem gewissen Nachtheil gereicht. Nichts destoweniger ist 
es merkwürdig, dass auch die Blüthen des Gänseblümchens 
[Bcllis] und der Sammtblume [Tagetes bei denen die in der 
Natur zungenförmig gestalteten Randblüthehen röhrenförmig 
geworden sind, sich durch Samen fortpflanzen lassen®^), dass 
ferner, nach Gekaiu)®**), die grösseren randständigen Samen 
in der Scheibe der Ringelblume bei der Aussaat gewöhnlich 
Pflanzen mit einfacher Blüthe liefern, die kleineren in der 
Mitte aber solche von der Art der Mutterpflanze. Ueberhaupt 
verdient es bei allen zusammengesetzten Blüthen, die mit zwei 
Arten von EinzelblUthen versehen sind, noch der Untersuchung, 
oh und welcher Unterschied sich aus den Samen der frucht- 
baren Strahlblüthen und der Scheibenblüthen ergiebt. 

In der zweiten Klasse der Pflanzen, bei denen die Blüthen 
und Früchte auf derselben Pflanze getrennt sind, habe ich 
auch an zwei Beispielen erfahren, wie naehtheilig für die 
Pflanzen der Verlust der Staubbeutel ist. Denn als ich beim 
Ricinus die runden Blüthenknospen vor der Entfaltung der 
Staubbeutel entfernt und das Auftreten neuer sorgfältig ver- 
hindert hatte, erhielt ich aus den vorhandenen unverletzten 
Samenanlagen mit ihren Pinseln niemals einen vollkommenen 
dreiknöpfigeu Samen, sondern ich sah die tauben Samenhäute 
herabhängen und schliesslich verwelkt und verschrumpft unter- 
geben. In ähnlicher Weise ergab es sich beim türkischen 
Weizen [Zea], dass nach rechtzeitigem Abschneiden des sich 
schon entfaltenden Schopfes nachher zwei Aehren erschienen, 
die gänzlich jedes Samens entbehrten, so dass eine gi-osse 
Anzahl leerer Samenhäute vorhanden war. 

Für die dritte Klasse von Pflanzen, bei denen die Blüthen 
und Früchte oder Samen nach den Stöcken selbst getrennt 
sind, bieten der Maull)eerbaum [d/oras] und das Bingelkraut 
[Mercurialis] Beispiele; da ich mich über diese früher in den 
Ephemeriden (Dec. 2. A. 9 u. 10) ausgelassen habe'®), will ich 

*) Mit >zugehen< und >abgehen« ist versucht worden den 
Gegensatz von accedere und decedere auszudrücken. 



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Ueber das Geschlecht der Pflanzen. 



25 



es hier nicht noch einmal thun. Nur mit wenigen Worten sei 
erwilhnt, wie ein Maulbeerbaum, der in der Nachbarschaft 
keinen Genossen mit Blüthen hatte, zwar Beeren trug, dagegen 
nicht eine einzige Keimpflanze in ihnen entwickelt zu haben 
schien, und wie ebenso das Bingelkraut mit den Samenknöll- 
chen, von der Gemeinschaft mit blühenden Pflanzen ganz aus- 
geschlossen, zwar reichliche, aber lauter nicht keimfähige 
Samen trug, also ohne Hoffnung auf Nachkommenschaft. Beim 
Spinat ferner erprobte ich dieselbe Cultur und er 

bestätigte die früheren Erfahrungen vollständig durch seine 
ganz analoge Unfruchtbarkeit und seine tauben Früchte. 

Dieses musste ich vorausschicken, als die der Natur- 
geschichte der Pflanzen und der Beobachtung entnommenen 
Grundlagen. Jetzt ^vill ich versuchen, was daraus für die 
Geschlechtlichkeit der Pflanzen geschlossen und ermittelt wer- 
den kann. Ich gehe also über zum Thierreich, wo es nach 
dem einstimmigen ürtheil aller eine geschlechtliche Verschieden- 
heit giebt, die man leicht erkennt an der Verschiedenheit des 
männlichen und weiblichen Gliedes und seiner Function. Es 
ist aber ausgemacht, dass in diesem Keiche zur Fortpflanzung 
der männliche Samen nothwendig ist (abgesehen von der 
schwierigen Frage über die Urzeugung, soweit dies für Je- 
manden noch eine Frage ist), zu dessen Ausbildung und Be- 
wahrung gewisse Theile bestimmt sind, welche zu ihrer Zeit 
einen gehörig präparirten und spirituösen Saft ausscheiden, 
während andererseits der Uterus der Weibchen mit den früher 
auch als Testikeln bezeichneten Eierstöcken zur Aufnahme 
jenes und zur Reifung der Frucht bestimmt ist. Im Pflanzen- 
reich (abgesehen von den Pflanzen, für die eine spontane Ent- 
stehung angenommen wird, und ebenso abgesehen von den 
anderen Fortpflanzungsweisen, die nur für einen Theil und in 
zweiter Linie in Betracht kommen, nämlich durch die Knospen 
der Bäume, die Zwiebeln der Stauden u. s. w.) vollzieht sicli 
keine Fortpflanzung durch den Samen, diese Gabe der voll- 
kommenen Natur und das allgemeine Mittel zur Erhaltung der 
Art, wenn nicht die vorher erscheinenden Staubbeutel der 
Blüthe die Pflanze selbst dazu vorbereitet haben. Es erscheint 
also billig, diesen Staubbeuteln einen edleren Namen und die 
Function der männlichen Geschlechtstheile beizulegen, so dass 
also ihre Kapseln die Gefässe und Behälter sind, in denen 
der Samen selbst, jener Staub, der subtilste Bestandtheil der 
Pflanzen, ausgeschieden, gesammelt und von da aus später 



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26 



R. J. CamerariuB. 



abgegeben wird ; er gelangt nämlich an die Spitze der Pflanze, 
wenn er schon gehörig durchgeseiet und verfeinert ist, hier 
wird er secernirt und erlangt seine grösste Wirksamkeit. Wie 
bei den Pflanzen die Staubbeutel die Bildungsstätte des männ- 
lichen Samens sind, so entspricht der Behälter der Samen mit 
seiner Narbe oder seinem Griffel den weiblichen Geschlechts- 
theilen, denn derselbe leistet wenigstens dem jungen Keim, 
den er empfängt und bewacht, mütterlichen Beistand. Dabei 
bleibt für die Blumenblätter nichts übrig , als was ihnen 
gewöhnlich als Geschäft zugeschrieben wird, nämlich den Saft 
zu verfeinern und zu reinigen, die zarten Samenbehälter zu 
schützen, bis diese gegen äussere Unbilden widerstandsfähiger 
werden und jener nicht weiter bedürfen, denn dann, nach Voll- 
ziehung ihrer Function, fallen sie ab. Dass sie den Staub- 
beuteln einen ähnlichen Dienst leisten, kann aus dem schon 
erwähnten Stellungsverhältniss, das zwischen ihnen stattfindet, 
geschlossen werden. Vergänglich sind diese Theile, welche 
beiderseitig für die Zeugung dienen, und jedes Jahr ist die 
Natur gezwungen, neue Samenwerkzeuge für die neu entstehen- 
den Keime zu bilden. Denn es bleibt, wie Mälpigiii'') be- 
merkt, nicht beständig derselbe Uterus in Kraft, sondern jeder 
Zweig besitzt in dem Jahre, wo er ans Licht tritt, seine eige- 
nen Samenwerkzeuge und erhält sich nur kurze Zeit fruchtbar, 
den Rest seines Lebens verbringt er aber in Unfruchtbarkeit, 
so dass man mit Theophkast (hist, plant, lib. 4, cap. 14) 
fragen kann, ob man ihn als dieselbe oder eine verschiedene 
Pflanze betrachten soll.'’'^). 

Zur Zeit wann die Männchen der Thiere anfangen reich- 
lichen Samen zu bilden, werden die Weibchen zur Empfängniss 
bereit und beide werden zur Vereinigung getrieben und bei 
dieser Copulation, so innig, dass man die beiden ein Fleisch 
nennt, wird der männliche Samen in das Weibchen ergossen. 
Bei den Pflanzen linden in gleicher Weise gleichzeitige Be- 
wegungen der befruchtenden Staubbeutel und des zu befruch- 
tenden Griffels statt, zn gleicher Zeit offenbaren sie ihre 
Function und bei der ersten Klasse der erwähnten Pflanzen 
stehen sie sich sehr nahe und bleiben in dieser Copulation 
bis zum Abfall der Blüthe. Sehr merkwürdig ist diese Ver- 
einigung dem Stagiriten erschienen, der mit einer Betrachtung 
darüber sein erstes Buch über die Erzeugung der Thiere ge- 
schlossen hat; er ist nämlich der Ansicht, dass die Thiere 
bei der Zeugung, ähnlich den Pflanzen, in ihrem ungetrennten 



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lieber das Geschlecht der Pflanzen. 



27 



Wesen erscheinen , und dass ihre Natur dahin strebe , aus 
zweien eines zu machen, wie er denn auch beobachtet hat, 
dass manclie lange in dieser Vereinigung ausharren. -»FreUich, 
sagt er, scheinen die Tkiere gleichwie Pflanzen getrennt zu, sein, 
insofern man auch diese, nachdem sie ihren Samen übertragen 
haben, trennen und nach dem ihnen cigenthümlichen männlichen 
oder weiblichen Oeschlecht eintheilen kann.* Dies alles, sagt 
er, ist von der Natur wohl geordnet, denn die Pflanzen haben 
keinen anderen Zweck als die Fortpflanzung, welche bei der 
Vereinigung von Männchen und Weibchen vollzogen wird, 
und beide Geschlechter sind in ihnen vermischt; die Thiere 
aber, die nicht bloss leben, sondern auch empfinden und ge- 
trennten Geschlechts sind, vereinigen sich, w'enn sie nur als 
lebende Wesen ihrem Triebe folgen, mischen sich, und wird 
gleichsam Pflanzen, ln seinem Buch über die Pflanzen drückt 
er sich so aus : > Wenn also die Natur Männchen und Weib- 
chen vereinigt hat, so ist sie richtig vorgegangen; denn bei den 
Pflanzen finden wir keine andere Function als die Erzeugung 
der Früchte und das Thier ist nur zu der Zeit von seinem 
Weibchen getrennt, in der es sich nicht mit ihm vereinigt.*'''^) 
Im Thierreich besitzen die Hermaphroditen beiderlei Ge- 
schlechtstheile und sie kommen nicht nur gegen die natürliche 
Ordnung in der oder jener Art als Monstrositäten vor, sondern 
auch in gewissen Gruppen regelmässig und sind für sie eigen- 
thümlich. »Zh'e Schnecke ist, wie S\\^uimei{DAMm schreibt, 
doppelten Geschlechtes , sie besitzt einen dicken tveissen Penis 
und die weibliche Geschlechtsöffnung am Halse. Sie vereinigen 
sich beim gegenseitigen Aufeinandertreffen so, dass sie wie die 
Zähne zweier Sägen ineinander zu passen scheinen.* Solixus 
sagt über die Schalthiere: >sie verhalten sich gegenseitig han- 
delnd und leidend, sie befruchten und empfangen zugleich.* 
Mit diesem, mit Kajus und mit Listerus stimmt auch der 
Abt Marsilius überein, gestützt auf die Beobachtungen 
Harder’s.'^) So sind auch die übrigen Schalthiere Zwitter, 
»sie haben das männliche Ih-incip mit dem andern gemischt*, 
w'ie Aristoteles sagt, der auch für gewisse Fische es be- 
zweifelt, ob sie getrennten Geschlechtes sind, weil alle, die 
gefangen werden, Eier enthalten. (Hist. anim. lib. 6, cap. 13; 
De gen. anim. lib. 3, cap. 11.) Das aber bleibe der Unter- 
suchung der vergleichenden Anatomen überlassen. Grösser 
jedoch ist die Zahl der Thiere, bei denen der geschlechtliche 
Unterschied stärker hervortritt, indem nämlich das Männchen 



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28 



E. J. Camerarius. 



und das Weibeben als verschiedene Individuen auftreten, dabei 
aber von einer Art und auch Nachkommen derselben Mutter sind, 
so dass, wenn sie zur Fortpflanzung gelangen, dieses aus sich 
selbst, jenes in dem anderen zeugt. Im Pflanzenreiche ist der 
grossere Theil der Pflanzen von doppeltem Geschlecht, näm- 
lich alle, die mit Blumenblättem und Staubbeuteln versehen 
sind und ebenso die, welche ohne Blumenblätter neben den 
Staubbeuteln die Anlagen der Früchte besitzen, sie sind Her- 
maphroditen, sie befruchten sich selbst, was hier überhaupt 
eigenthümlich ist, sie zeugen aus sich selbst das, was sie 
empfangen haben. Die übrigen, theils Blüthen, theils Früchte 
tragenden Pflanzen besitzen die männlichen und weiblichen 
Theile getrennt; warum sollen sie nicht auch deren Function 
ausüben und mit den ihnen zukommenden Namen und Be- 
zeichnungen belegt werden? Sie verhalten sich ja zu einander 
wie Mann und Weib, und sind auch anders nicht verschieden; 
sie unterscheiden sich also dem Geschlechte nach und das ist 
nicht nur, wie man es gewöhnlich thut, als eine Art Vergleich, 
Analogie oder bildlich aufzufassen, sondern in der That und 
wörtlich so zu nehmen. Da freilich in diesem Reiche die 
Zahl der Zwitter so gross ist, so könnten nur jene wenigen, 
bei denen Blüthe und Fracht an verschiedenen Individuen 
sitzen, mit den Thieren besonders aus dem Grunde ver- 
glichen werden , dass sie Männchen und Weibchen getrennt 
zeigen, und gerade aus diesem Anzeichen würde man die 
Vermischung der Geschlechter, die sonst schwerer aufzufinden 
wäre, leichter erkennen. So scheinen also gerade diese auf das 
bei allen Pflanzen ähnliche Princip ganz besonders hinzuweisen. 

Die ersten Umrisse des Thieres erscheinen in dem em- 
pfangenden Theile nach der Befruchtung und die Anlage des 
Keimes geht der Bebrütung des Eies voraus : bei den Pflanzen 
tritt der neue Keim, das Keimpflänzchen nach dem Verblühen 
in seinem Bläschen auf und der zu seiner Zeit reife Samen 
wird aus seinem aufspringenden Behälter in die Erde ge- 
worfen, gleichsam eine Empfängniss, und in diesem Mutterleib 
birgt er seine Blättchen und lässt sie darin erwärmt und er- 
nährt werden und wachsen. Diese Art der Empfängniss hat 
wiederum Akistoteles anerkannt (Du musst es mir nicht 
übel nehmen, dass ich diesen öfters citire, denn er verdient 
in der Lehre über die Fortpflanzung citirt zu werden), denn 
nachdem er sorgfältig unterschieden hat zwischen dem Samen 
der Pflanze und dem der Thiere und den Männchen die 



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lieber das Geschlecht der Pflanzen. 



29 



Zeugung iyovifjp), nicht den Samen [arrto^iu) zugeschrieben hat, 
beschreibt er beides in dem Buch de gen. anim. (lib. I, cap. 1 8) 
und zwar jene, weil sie die von dem Zeugenden heirührende 
Ursache ist, als die erste Veranlassung xur Entstehung der 
Fortpflanzung, nämlich da, wo nach dem Willen der Natur ein 
Coitus stattfindet, diesen [den Sanmi\ als das Product beider, 
des Coitus von Männchen und Weibchen. Und zu letzterem 
gehört, wie er sagt, der Same aller Pflanzen als das, was 
zuerst aus der Vermüchung von Männchen und Weibchen ent- 
steht, rds ein Empfängrvissrorgang oder ein Thier [quasi con- 
ceptus quidam aut animal]. Ganz gewiss leugnet er an ver- 
schiedenen Stellen nicht gerade die Geschlechtlichkeit der 
Pflanzen, er nennt sie vielmehr ein gemischtes Geschlecht, wie 
er z. B. bisweilen von ihnen sagt: T>Bei ihnen ist Männchen 
und Weibchen nicht getrennt.* Er lobt sogar’*) in dieser Hin- 
sicht den Empedocles, weil dieser die Pflanzen aus einem 
Ei entstehen lässt, den Samen selbst mit dem Ei vergleicht, 
l)eide als Empfängniss bezeichnet, in jenem die Anlage der 
Pflanze, in diesem die des thierischen Keimes sieht. Ebenso 
spricht sich Theophrastus aus (Ue Causis plantarum lib. I, 
cap. 7): »Nicht unpassend sagt Exipeüoci.es , dass die Bäume 
an den hohen Zweigen Eier zu tragen g)flegen. Denn die Natur 
der Samen ist den Eiern nahe verwandt. Jedes hat seine Nah- 
rung in sich, wodurch es auch eine Zeit lang auszuhalten ver- 
mag und nicht wie der Samen der Thierc, mit Äusnahme derer, 
welche Eier legen, sofort zu Grunde geht, wenn er abgesondert 
ist; denn diese, durch ihre Nahrung geschützt und bewahrt, 
vermögen die Erhaltung ihrer Keime besser zu sichern.* Merk- 
würdigerweise hat keiner von ihnen das Junge im Ei und das 
Keimpflänzchen im Samen gesehen. 

In der Art, das Zeugungsgeschäft der Thiere zu erklären, 
stimmen niclit Alle überein. Die einen lassen von den Eier- 
stöcken der Weibchen Bläschen entstehen, die, von dem Ein- 
fluss der Männchen angeregt, die Fäden [stamina], die sie 
entlnelten, sich entwickeln und entfalten lassen, so dass in 
dem Empfängnissorgan der zarte Keim mit seinen Häuten und 
einer nothwendigen Zugabe der eisten Nahrung von dem Eier- 
stock durch die Muttertrompete in den Uterus gelangt, um 
dort bis zu seiner vollen Keife sich zu ernähren und zu 
wachsen. Die Anderen leiten die Anlage des Keimes nicht 
von dem Weibchen, sondern vom Samen des Männchens ab, 
indem sie in diesem kleine Thierchen gesehen haben wollen, 



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30 



R. J. Camerarias. 



die mit dem Saft in den Uterus gespritzt werden, diese Würm- 
chen sollen in die Eier eindringen und so soll die Erzeugoing 
eher als eine solche des Samenthierchens [vermis] als des Eies 
anfzufassen sein. Wir haben diesen Streit nicht zu schlichten. 
Aber, wenn dies noch nicht einmal in dem Thierreich, wo 
die Geschlechtlichkeit von Niemandem in Zweifel gezogen wird, 
entschieden werden konnte; wer möchte dann verlangen, dass 
es in den Verhältnissen der Pflanzen klar sei, wo nicht so- 
wohl von der Art der Zeugung, als vielmehr einfach von dem 
Beweis der geschlechtlichen Diflerenzirung, in dieser Weise 
wenigstens, eigentlich die Rede ist. Es wäre doch sehr zu wün- 
schen zur Lösung dieser schwierigen Frage, dass wir von denen, 
die durch ihre optischen Instrumente mehr als Luchsaugen 
haben, erführen, was die Körnchen der Staubbeutel enthalten, 
wieweit sie in den weiblichen Apparat eindringen, ob sie unver- 
sehrt bis zu dem Ort kommen, wo der Samen empfangen wird, 
und was, wenn sie platzen, aus ihnen austritt. Jedoch dürfte 
man nicht im Stande sein, in dem kugeligen Pollen selbst oder 
in den der Pflanze angewachsenen Samenbläschen, also in 
dem befruchtenden Stofle oder in den noch nicht befruchteten 
Eiern einen Keim zu eutdecken. Es ergiebt sich also , bei 
der Verschiedenheit der Meinungen, dass nach den einen die 
Frucht vom Männchen ausgehe, und vom Weibchen wie im 
Acker nur gepflegt und ernährt werde, nach den andern da- 
gegen, dass der Zeugnngsstoff des Männchens nicht in den 
Uterus gebracht werde, wie der Samen der Pflanzen in die 
Erde, sondern dass man den männlichen Sameusaft mit den 
Staubbeuteln der Pflanze und das Empfängnissorgan des Thieres 
mit dem Samen der Pflanze vergleichen müsse. 

Hinsichtlich der Vergleichung der Pflanzen und Thiere 
muss zur Ergänzung noch Folgendes hinzugeftigt werden. Da 
auch von den scharfsinnigsten Gelehrten angenommen wird, 
dass der kunstvolle Organismus des Thieres nicht ein Werk 
des Männchens oder Weibchens, sondern in seinen ersten 
Keimanlagen von Gott geschaffen und gebildet, dann nur ent- 
wickelt und vergrössert sei, so ist es bemerkenswerth, dass für 
den pflanzlichen Organismus dieselbe Annahme gilt, sowohl 
in der Meinung derer, die die Anlage aller Thiere einer Art 
in dem ersten Eierstock des Weibchens ein geschlossen sein 
lassen, als auch bei denen, welche eine getrennte Entstehung 
annehmen: dies kommt deswegen hier in Betracht, weil ja 
in jeder der beiden Ansichten das Männchen keine Wirkung 



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Ueber das Geschlecht der Pflanzen. 



31 



besitzt, die nicht in gleicher Weise auch dem männlichen Princip 
bei den Pflanzen zngeschrieben werden könnte.*) 

Theopurartus sagt bei Erwähnung der Palme, die mit dem 
Blüthenstaub einer anderen Pflanze befruchtet werden muss, dass 
tciwas difspm ÄfhnlicJm atich in dem Geschleckte der Fische vor- 
kommt, da das Männchen auf die ausgestossenen Eier seinen 
lebendigen Samen spritzt* (de causis plant, lib. 2, cap. lö). Ge- 
legentlich erinnert sich auch dieser Erscheinung sein grosser 
Lehrer und sagt; »Die Fische bespritzen die Eier, und, loie man 
sagt, verschlingen die Männchen einen grossen Theil der Eier, 
andere aber gehen im TPasscr xti Grunde. Die aber an günstigen 
Orten cd>gelagert sind, bleiben erhalten. Denn, wenn alle un- 
versehrt blieben, so würde die Menge dieses Geschlechtes zu gross 
iverden. Ja nicht einmal von diesen ist jedes enticickelungs fähig, 
sondern nur die .sind es, die das Männchen mit seinem Zeugungs- 
stoff besprengt hat. Denn während der Eiablage bespritzt das 
nachfolgende Männchen die Eier mH seinem Samen. Aus allen 
denen also, die, bespritzt worden sind, entstehen junge Fische, 
der anderen wartet ein atuleres Schicksal.* (Hist. anim. lib. 6, 
§141, 1. c. § 156. 163.)'^) »Wenn der Samen die Eier nicht 
getroffen hat, so wird das Ei zwedclos uml unfähig zur Ent- 
ivickelung.* Ferner sagt er: »Je dreissig oder vierzig Männ- 
chen folgen den cinzel)ien Weibchen, und ivenn sie das Ei, das 
diese bei ihrer Entfcimung ausgestossen. haben, erreiche>i, .so be- 
spritzen sie es mit ihrem Samen. Aber weil das Weibchen die 
Eier nicht hintereinander, sondern mit Unterbrechungen ablegt, 
gehen die meisten Eier zu Grunde, ituiem .sie von der Strömung 
ergriffen und zerstreut werden.* Wie Soai.ioeu bemerkt, wird 
durch das Äneinanderreil>en der Nabel das Weibchen gereizt, 
die Eier abzulegen, das Mänucheu, seinen Samen auszustossen : 
IL\kvey bestätigt diese Ergiessung der Milch oder des Samens 

*) In der ursprünglichen Ausgabe von 1694 finden sich hier 
noch folgende zwei Sätze angefiigt. 

»Da die Aussprüche der hier von mir citirten alten Schrift- 
steller durch diese Ansicht der neueren Zeit erläutert werden 
können, ja sogar das Geschlecht allein auf die Fortpflanzung be- 
zogen wird'*’), so habe ich es nicht für unpassend gehalten meine 
vor einem Jahre in der Sitzung der Professoren [V, actu magiste- 
riali vorgetragene Rede, mit Anslassnng dessen, was mir nicht 
hierher zu gehören schien, diesem Briefe anhangsweise hinzu- 
znfUgen. Lies sie, wenn Du Lust hast, und bourtheile sie, ver- 
lange aber von mir kein rhetorisches Kunstwerk.« 

lieber die Rede im Anhang vergl. das in unserer Einleitung 
p. IV Gesagte. 



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32 



R. J. Camerarius. 



der Männchen über die eben abgelegten Eier der Weibchen. '^) 
Leeuw'ekhoek giel)t an’^), dass die Frösche sich deswegen 
vereinigen und aufeinander sitzen, damit zur gleichen Zeit, 
wann das Weibchen seine Eier ansstösst, das Männchen seinen 
Samen auf sie fahren lässt, da es zu keiner passenderen Zeit 
ihn auf die Eier zu spritzen vermöge. Ebenso pflege das 
ganze Geschlecht der Fische, bei dem das männliche Glied 
fehlt, seinen Samen zwischen die Eier der Weibchen auszu- 
stossen. Eine andere und zwar sonderbare Erklärung für das 
Sichumfassen der Frösche, wie auch für den Coitus nach Art 
der Vögel giebt Rivixus an (Act. Lips. An. 87. M. Majo).*»'*) 
Es wäre jetzt zu erörtern, ob diese Milch der Männchen in 
ihren feinsten Theilen durch die Eihaut eindringt und den 
vorher schon angelegten Keim zur Entwickelung anreizt oder 
ob vielmehr die Thierchen selbst eindringen und sich dort nur 
festsetzeu, aber ich finde, dass dieser Modus der Befruchtung 
nicht nur bei den Fischen das Geschäft vollzieht, sondern sich 
auf alle Thiere erstreckt bei aller Verschiedenheit der Em- 
pfilngniss ; mag der männliche Stoff“ durch Röhren, durch Blut- 
gefässe oder durch die Oclfnungen des Uterus zum Ovariuin 
gelangen und dort die Bläschen l)efruchten oder mag sieh das 
Ei in Folge eines Miasma’s von Seiten des Männchens innerhalb 
seines Schleimes entwickeln und augeregt werden: überall wird 
eine sehr grosse Fähigkeit der Durchdringung [für den männ- 
lichen Samen] vorausgesetzt. Mit Recht knüpft Aristoteles 
an die Erwähnung der Erscheinung bei den Fischen den 
Spruch: *I)cr Ein/luss dfs Männchms ist nicht sowohl ein 
quantitativer als ein qualitativer. < Und wie er, so behaupten 
die meisten, dass der männliche Samen nicht stofflich sich 
mit dem Ei vereinige, sondern nur eine Einwirkung auf das- 
selbe ausübe. »Bei keinem Geschlecht der Thiere., soviel ich 
weiss*, schreibt Ra.ius, »tritt der Zeuffungsstoff in das Orarinm 
ein, ja nicht einmal in den Uterus hei den meisten, sondern 
schon der Hauch tmd die feinen Ausströmungen genügen x,tir 
Befruchtung der Eier und zur Belebung des in ihnen einge- 
schlosscnen Enilwgos.* Dies bedarf einer um so weitläufigeren 
Erörterung, je nothwendiger es zum Beweise ist, dass bei den 
Pflanzen eine Befruchtung stattfinde. Da die Staubbeutel der 
Blüthe, in welchem Verhältniss sie auch zu den Griffeln stehen 
mögen, alle sich darin gleichen, dass sie ihren kugeligen Pollen 
über diese ausstreuen, die Natur aber in evidenter Weise an 
dem Beispiele [der Fische] gezeigt hat, dass die oberflächliche 



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lieber das Geschlecht der Pflanzen. 



33 



Berührung des Zeugungsstoffcs und des Eies zur Befruchtung 
des letzteren genüge, so kann Niemand abstreiten, dass der 
leichtbewegliche Pollen der Blüthe zur Befruchtung der Samen- 
blilschen bestimmt sei. Die Schwierigkeit ist in beiden Rei- 
chen wieder gleich gross: Alles, was man anführeu kann um zu 
zeigen, dass die Eier und die von den Fischen blindlings mitten 
in das Wasser ergossene Milch sich berühren, das wrd auch dazu 
dienen, nm die Wirkung des auf die vegetabilischen Eier ge- 
brachten Zeugungsstoffes der Blüthe zu beweisen. Wenn das 
Wasser den Eiern der Fische ihren Infectionsstoff znführt, 
oder wenigstens dessen Einfluss nicht ganz vernichtet, warum 
soll nicht die Luft durch ihre Bewegung den Coitus unter- 
stützen und der Wind die dürstenden Griffel mit dem ge- 
wünschten Regen erfüllen können? Dabei braucht man nicht 
zu glauben, dass jener Reichthum, ja Uebeiüluss an Pollenmehl, 
das in manchen Pflanzen so massenhaft gebildet wird, umsonst 
oder zum Prunk da sei, sondern es wird durch ihn ergänzt, 
was, bei dem Abstand des männlichen Elements, nothwendiger- 
weise umsonst verstreuet werden und das weibliche Element 
verfehlen muss. Um also dieses Element oder den Pollen 
aufzufangeu, bemühen sich die Empfängnissorgane mit ver- 
einten Kräften, erheben sich über das Samengehäuse und 
während sie meistens kurz sind, erreichen sie beim türkischen 
Weizen, dessen Körner so verborgen sind, eine grosse Länge, 
damit ihnen der Than von den Staubbeuteln ja nicht entgeht. 
Da aber der Blttthenstaub der Kätzchen die entfernten Samen- 
behälter befruchtet, so entsteht auch die Frage, ob bei den 
anderen Staubbeuteln ihr Einfluss sich nur auf den Grifl'el er- 
streckt, mit dem sie innerhalb der Blüthenblätter vereinigt sind, 
oder auch auf den Griflel einer benachbarten Blüthe? 

Die Eier der Fische, die nicht vom Samen des Männchens 
I)enetzt sind, sind zur Fortpflanzung untauglich und aus ihnen 
entwickeln sich keine Fischchen, wie Akistotei.es lehrt; er 
behauptet auch, aus Erfahrung zu wissen, dass die Hennen 
und andere Vögel bisweilen ohne Coitus Eier legen, die auch 
Dotter und Eiweiss enthalten, aber taub sind, keinen An- 
satz eines Keimes haben und aus denen, wie sehr sie 
auch bebrütet werden, kein Hühnchen entsteht. Da bei den 
Weibchen aller Thiere, auch beim Menschen, alle Eier zu- 
gleich angelegt werden, so ist ferner zu untersuchen, ob 
sie ein ähnliches Schicksal erfahren [d. h. einige unbefruchtet 
bleiben]. Indessen ist es sicher, dass von den Fischeiern 



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34 



R. J. Camerarias. 



eine »rosse Meu»e zu Grunde geht denn sonst würden, so 
hefUrchtet l‘i.ixirs, die Meere und Teiche davon angefüllt 
werden, da jeder einzelne Uterus nnzählige enthiUt), und dass 
die Narbe an den tauben Eiern der Hühner nicht dieselbe 
Lage hat, wie an den fruchtbaren. Ursache davon ist im 
Allgemeinen der Mangel des männlichen Samens, sei es, dass 
der Keim von ihm geliefert worden wäre, sei es, dass er mit 
einem nicht wahrnehmbaren Zengnngsprincip den Keim im Ei 
hätte anregen müssen. Was hindert uns nun, mit diesen tauben 
und unfruchtbaren Eiern die ebenfalls tauben und unfruchtbaren, 
von dem männlichen ibrincip der Staubbeutel nicht benetzten 
Samenbläschen der PHanzen zu vergleichen? Das leuchtete 
schon damals dem Theoimirastts ein. der zngiebt hist. lib. I, 
cap. IS), die unfnn:htb<irvn S<imen der Pflanxen^ wie die 

jrimleier, des feuchten und warmen Elements entbehren, das 
den fruchthiren Eiern innewohnt.< Wärme und Feuchtigkeit 
freilich bedürfen alle Samen, aber nicht in ihnen besteht die 
Zenguugskraft ; das Fehlen des Keimes macht die Samen tanh. 
Auf die Aehnlichkeit und den Unterschied zwischen ihnen und 
den ohne Hülfe des Hahns von den Weibchen allein gelegten 
Eiern und Windeiern wollen wir nicht eingehen. Das ist 
sicher, dass die Entstehung der Samenbläschen vorausgeht und 
die Eier erscheinen, bevor sie durch den EinÜnss des männ- 
lichen Elementes angeregt werden; ja ohne dieses wächst die 
Schale und Hülle des Eies, nämlich das Samengehäuse, wie 
das essbare Fleisch der Maulbeeren, und entwickelt sich voll- 
ständig, aber nicht zu einem Keimling; ein Keimpdänzchen. 
das für einen fruchtbaren Samen absolut nuthwendig ist, ent- 
steht nicht darin, es fehlte eben, was vom Männchen hinzn- 
kommen musste, wovon doch sonst eine grosse Menge vergeb- 
lich zu Grunde geht: die Eier sind ayora, unfruchtbar, nicht 
'/öytiut, fruchtbar. Scalu;eb will, dass man '/üvtuov lieber 
mit entwickelnngsfähig .genitabile' als mit fruchtbar fecundum' 
übersetzen soll: »Denn es brimjt nichts Itervor, somiem ent- 
wickelt sich mm fert, sed fertur : es wird fit' zu einem Fisdt 
tsler Visjel. aber es brimjt fert\ nicht einen Fisch o<ler Vogel 
hervor* Comment. in Aristot. Hist. anim. lib. VI). Aber ge- 
rade weil die tauben Eier nicht den Fisch oder Vogel hervor- 
bringen, d. h. die Anlage des Embryo, den kleinen Körper 
oder organischen Keim, deswegen sind sie zur Fortpdanznng 
untauglich ; im Uebrigen werden beide, die fruchtbaren und die 
unfruchtbaren in gleicher Weise von der Mutter ausgetragen 



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lieber das Geschlecht der Pflanzen. 



35 



und gelegt, aber der Fisch oder Vogel hätte schon bei der 
Empfängniss hervorgebracht werden müssen. Was aus einem 
pflanzlichen Ei wird und was es hervorbringt, will ich an 
meiner Stelle den Rolfiscius*’*) auseinandersetzen lassen; 
» Tl'iV gehen xu, dass ein Baum, ein Strauch, ein Kraut etwas 
crxeugen, uenn sie Samen tragen, 7iicht aber dass ein Baum, 
ein Strauch, ein Kraut erzeugt werden, wenn sie dem Samen 
entkeimen, sondern dann vervollkommnet sich nur das Erzeugte, 
das vorher unvollkommen war.* Wenn wir noch hinznfügen. 
was ScALiGER selbst in seinem Commentar zum Theophkastvs 
(lib. I, cap. 7) sagt, so wird man sehen, wie unsicher er bei 
diesem Geschäfte war, nur weil das Keimpflänzchen noch nicht 
entdeckt war: »Nicht also*, schreibt er, »halte ich die Frucht 
für den Samen oder das Ei, entsjwechend dem Samen des Thieres, 
sondern für den vollständigen Keim, der im Innern des Samens 
verborgen, aber noch nicht von ihm abgegliedert ist; vollständig 
sage ich, in allem Uebrigen, nur nicht aljgegliedert. Ich weiss, 
daess dies, als der gewöludichen Ansicht entejegenstehend, von den 
ungesdndteren Geistern nicht xugegeben werden wird.*^-] 

Jene nnfruchtbaren, ohne Einfluss des Männchens entstan- 
denen Eier der Vögel nennt man gewöhnlich Windeier sub- 
ventanea, hypenemia, Zephyria] deshalb, wie Aristoteles 
den Kamen erklärt, weil die Vögel zur Frühlingszeit vom West- 
wind einen befruchtenden Hauch zu empfangen scheinen. Da- 
rauf bezieht sich auch Virgil, wenn er Georg, lib. 3 [271 — 277] 
den aufgeregten Zustand der Stuten besclrreibt; 

> Gleich, wann im gierigen Mark das verborgene Feuer 

erwachte. 

Vollends im Lenz — denn im Lenz kehrt wieder die 

Gluth den Gebeinen — 

Stehn sie, die Küstern zum Zephyr gewandt, hoch oben 

auf Felsen, 

Säuselnde Lüfte zu schlürfen, und oftmals, ohne Begattung, 

Wurden vom Windhauch sie — o Wunder zu melden! — 

geschwängert. 

Hin durch Felsen und Klippen und tief .absinkende Thäler 

Fliehn sie .... * 

Diese Worte könnten besser auf die Empfängniss der 
Pflanzen angewendet werden, als auf die der Thiere, denn 
diese, mögen sie auch durch den Wind bewegt und erregt 
werden, empfangen von ihm doch keinen Keim: aber jene 

Oätwald's Klassiker. 105. 4 



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36 



R. J. Camerarius. 



verdanken dem Winde allerdings mehr, indem ja im Frühling 
die Empfängnissorgane, gleichsam eben so viele Nüstern zum 
Zephyr gewendet stehen, säuselnde Lüfte und in ihnen den 
ansgestreuten Blüthenstanh zu schlürfen, und sie ohne Be- 
gattung vom Windhauch geschwängert (o Wunder zu ineldenl 
empfangen. Fnichthar also wäre das Ei, das hier bei der 
Pflanze durch den Wind oder die Luft, die Träger des 
männlichen Princips seine Empfängniss erhält, und wurde nicht 
dasselbe bedeuten wie ein Windei oder ein unfrnchtbares. 
Die Kraft des Favonius Westwinds] preist auch Pun'U'S, er 
übertreibt aber dabei flib. IG, cap. 25), wo er das Gesetz für 
die Entstehung der Bäume, wie es die Natur in jedem Jahre 
befolgt, bespricht, dass nämlich die Empfängniss im Keime, 
die Geburt in der Blüthe, die Entwickelung in der Frucht 
stattfinde: » Zuerst«:, sagt er, •»kommt die Empfringuiss, wenn 
der Favonim xu wehen beginnt, denn durch ihn irird befruchtet, 
was aus der Erde ivächst, wie auch die spanischen Stuten. Er 
ist der befruchtende Hauch der Welt, von seinem erudhrr?>eien 
Princip [fovere^ Favonius genannt, der Bringer des Frühlings. 
Die Laufzeit der Hunde nennen es die iMndteutc, wenn die 
Natur die Thiere treibt, den Samen zu empfangen, und allen 
die Lust danach hinlänglieh erzeugt.« Das ist nun freilich mit 
einem Körnchen Verstand aufzufassen; denn wie kann, abge- 
sehen von der alten Fabel über die vom Winde geschwängerten 
spanischen Stuten, eine solche Frucht etwas anderes sein, als 
eine taube, als ein Windei, eine Missgeburt? 

Schliesslich gilt in dem gesummten Reiche der geschlecht- 
lich verschiedenen Thiere das unveränderliche und constante 
Gesetz, dass zur llervorbringung eines neuen Individuums der 
gleichen Art beides, Männchen nnd Weibchen, so nothwendig 
ist, dass, wenn das eine oder andere fehlt, wenn die Ge- 
schlechtsorgane verletzt, geschwächt, oder auf andere nnnattir- 
liche Weise missgebildet sind, wie besonders bei castrirten 
^lännchen und Weibchen, auch keine Zeugung möglich 
und die Copulation Castrirter erfolglos ist: dasselbe gilt im 
Pflanzenreich, wenn die Staubbeutel der männlichen oder die 
Griftei der weiblichen Blüthe, besonders aber, wenn beide 
fehlen, so entsteht kein Keim, indem entweder die Samen- 
bläschen leer bleiben, in denen er angelegt werden sollte, oder 
auch überhaupt keine. Anlage des Samens oder Samenbehälters 
stattfindet; so schwer leidet das eine unter der Abwesenheit 
des anderen. Ebenso verhält es sich mit der Füllung der 



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lieber das Geschlecht der Pflanzen. 



37 



Blilthe, deren Bedeutung für die Geschlechtlichkeit der Pflanzen 
besprochen wurde, und der hilufig darauf folgenden Sterilität. 
Deren Ursache ist das Fehlen des Griflels oder der Staubbeutel, 
des Empfängniss- oder des Zeugungsorgans. Sie fehlen aber 
wegen der Menge der Blumenblätter, indem ein Theil der 
Saftmenge jenen vorenthalten oder sonst verbraucht oder auch 
verschwendet wird, dadurch dass er in die Blumenblätter ab- 
geleitet wird; wie nämlich Kajus nach Mau’Ujiii angiebt'*-') 
wachsen die Gefässbflndel in die Blätter und werden von 
ihnen aufgenommen, so dass keine Ilolzfaseni für den Bau des 
Fruchtknotens und der Blase des Fruchtwassers übrig bleiben. 
Warum dies freilich nur bei einigen wenigen , genau ange- 
gebenen, bei anderen Pflanzen aber nicht stattfindet, das 
empfehle ich Dir und anderen zur Ucberleguug; ebenso die 
andere nicht minder wichtige Frage , welcher Umstand jene 
zahlreichen und aussergewöhnlichen Blumenblätter zu bilden 
pflegt. Die einen, nach denen das Bildungsprincip die Natur 
oder die Seele der Pflanze ist, werden sagen, dass diese hier 
muthwillig und spielerisch verfahren ist, die anderen, nach 
denen alles von der ursprünglichen Schöpfung herrührt, werden 
vielleicht zugeben, dass von Gott einige Samenkörner geschaften 
sind, mit der Anlage von so vielen Blumenblättern, ausdrück- 
lich zu dem Zweck, dass die gefüllte Blüthe, unter günstiger 
Fermentation der Säfte entstehend und ihre Petalen entfaltend, 
einen grossen Eindruck auf unser Auge mache, oder sie werden 
sagen, dass einige Keime, an die Spitze des Stengels gelangt, 
nur ihre Blumenblätter entwickeln, alle übrigen Thcile aber 
gänzlich unterdrücken. ''<] Dieselbe Schwierigkeit scheint sich 
aufzudrängen bei den sonst zungenförmigen Blütheii, wenn sie 
röhrenförmig werden. Ob der ursprüngliche Schöpfer wohl 
auch einige Keime geschaffen hat mit der Anlage für derartige 
RöhrenIdUthen ? Dem widerspricht allerdings, dass das Tau- 
sendschönchen [7^c///.s-] mit röhrenförmigen Blüthen, wie ich es 
von Hof.maxx erhalten habe, bisweilen wieder in die gewöhn- 
liche Form mit zungenförmigen Randblüthen zurückschlägt. *>^) 
Aber darüber klagen auch die Gärtner, dass gewisse gefüllte 
Blüthen in die ursprüngliche Einfachheit zurückkehren. Doch 
wollen wir uns damit hier nicht aufhalten. Ich fahre fort, 
das Wesen der Unfruchtbarkeit zu besprechen. Es frägt 
Tiieopiirastuh (Hist. lil). 2, cap. 5) *oh ein Baum, wie die 
Thicre, unfrueitthar werden könne in Foltje irgend einer Störung 
oder dir Entfernung eines Theiles von ihm.* Ebenso (lib. 1, 

4 * 



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38 



R. J. Cameraiins. 



fap. 22 und lib. 4, cap. 4) *ron rf/’H BUithm der Citronc [^CitniK 
vifdira] noUeii die fruclithar sein, die in der Mitte einen auf- 
rechten spiinirockennrtigen Körper (wahrscheinlich den Griffel 
und die Rtaubgcfilsse) tragen: die ihn aber nicht haben, seien 
nnfruehthar.* Es versteht sich, dass die Unfruchtbarkeit der 
l’fianzen nicht immer auf demselben Umstande beruht. Un- 
fruchtbar werden auch genannt die männlichen und blühenden 
IMlanzen des llingelkrautes [J/crcMmfe], des Hanfes [Cannabis\ 
u. a., aber nicht recht passend; denn der Vater, der ja doch 
weder einen Keim enthält, noch hervorbringt, was das Ge- 
schäft der Mutter ist, wird mit Unrecht unfruchtbar genannt, 
wenn er es nicht durch Castrirung wird, bei Pflanzen sowohl 
als auch bei Thieren. Unfruchtbar sind die Weibchen bei 
Pflanzen, wenn sie als Jungfern oder Wittwen den männlichen 
Einfluss nicht erfahren; unfruchtbar sind die Zwitter, wenn 
die männlichen oder weiblichen Geschlechtstheile verletzt sind; 
von der zufälligen Unfruchtbarkeit in Folge des Standortes, 
der Cnltnr n. s. w. ganz abgesehen. Nicht übergehen aber 
kann ich eine gewisse Unfruchtl)arkeit, die auf der Cnltur be- 
ruht und vou Tiieophkast (de causis lib. 3, cap. 23) als eine 
Art von Vollkommenheit oder Veredelung bezeichnet wird. 

* Manche Pflanxat urrden besser, wenn sie mit kochendem j 

ira.s\<!cr begossen werden, wie der Friihlingsapfel [Malus vcrna] 1 

und die Mgrte. Denn diese bekommt eine Frucht ohne Kern, 
wie einige behaupten. Man hat dies zufällig entdeckt, als eine 
Mgrte unbeachtet tieben einer Badestube stand. Da sie ohne J 

Kerne war, .so saete man die von ihr erhaltenen Samen und so ^ 

entstand diese Sorte in Athen. < Was ist diese kernlose Myrte? | 

Nach der Uebersetzung der Erklärer eine kernlose, oder eine, 
die keinen Kern in der Beere besitzt, oder die eine Frucht ! 

ohne holzige Theile hat. Oder werden die Beeren dieser I 

Myrte vielleicht in dem Sinne als kernlos bezeichnet, wie die i 

kernlosen Granatäpfel von Ra.ii' 8, nicht weil keine harten, | 

sondern nur weil weniger harte Kerne darin sind. Oder soll | 

»kernlos« [u;ivQrivov\ nur heissen ohne die Schale der Samen | 

oder ohne beides, ohne Schale und Kern? Denn es ist zn 
unterscheiden, ob die Beere keinen Kern besitzt oder ob die 
Frucht nicht holzig ist.^®) Wenn nun die Myrte durch den 
Mangel an beiden kernlos ist, wie kann dann von ihr gesagt 
werden, sie sei durch die ausgesäeten Samen fortgeptlanzt 
worden, da sie doch einen wahren Samen, ein KeimpHänzchen 
nicht enthielt? Vielleicht hat der Ausleger die Stelle; »SiV 



k 



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Ueber das Geschlecht der Pflanzen. 



39 



nahmen von dieser, die kei'nlos geworden war, und pflanzten 
es* falsch verstanden. [rovvov yaq u7ivqi\vov yevo^itvov 
/MfißccvovTsg eepVTEVov.) Das Pflanzen {(pvrevEiv) scheint 
sich nicht sowohl auf Samen, als vielmehr auf Zweige zu be- 
ziehen und ist besser mit > pflanzen < als mit »säen« zu über- 
setzen. Denn die Myrte (Theopiir. Hist. pant. lib. 2, cap. 1) 
pflanzt sich auch durch das Holz und die Zweige fort. Uebrigens 
mögen andere untersuchen, was das kochende, oder vielleicht 
richtiger warme, Wasser dabei geholfen hat! Ich gehe über 
zu dem Frühlingsapfel, von dem dieselbe Erscheinung berichtet 
wird, um sie noch etwas besser aufznklären. C. Bauhinus 
erwähnt in seinem Pinax (p. 435, § 3) den Apfel ohne Samen 
im Innern der Frucht nach J. Cajieuauius, den nicht blühen- 
den, aber Frucht tragenden Apfel nach Gesnek; letzteren mit 
Uebergehung des ersteren citirt auch Hermann in seinem 
Catalog unter dem Namen; fruchttragender Apfel mit ver- 
gänglicher Blüthe nach Catalog. Hort. Reg. Paris. [115]. Auch 
Hoemann gedenkt des Apfels, der ohue Blüthe Früchte trägt. 
Bauhinus meint, dass der Frühlingsapfel des Theophrabtus, 
der eine Frucht ohne Kern trägt, zu dieser Apfelsorte gehört 
habe, und fährt fort: nAber die Blüthe ist der Anfang der 
Frucht, der Kern der des Baumes. Wer .ncht also nicht, dass 
hier das Naturgesetz tviederhoU verletzt worden wt? A)i diese 
Aufgabe mögen sich scharfsinnige Geister machen: wir legen 
das Hauptgeicicht auf das innere Prineip.* Es scheint also, 
dass sein nicht blühender Apfel Samen trage und somit der 
einzige Baum sei, der nach Gesner ohne Blüthe und nach 
Camerarius ohne Samen ist.^’) Das aber bestätigen Alle, 
die diesen Baum gesehen oder gezogen zu haben berichten, 
dass er keine Blüthe, keinen Samen besitze, sondern dass die 
Aepfel nach Art der Feigen aussprossen. Schliesslich habe 
ich selbst gegen Ende April dieses Jahres ein solches Bäum- 
chen, das für ein nicht blühendes galt, wiederholt eifrig be- 
obachtet und bemerkt , dass die Früchte in ganz ähnlicher 
Weise wie bei andern hervorbrechen, Blumenblätter und Staub- 
beutel konnte ich aber bisher nicht entdecken. Auf seinem 
Stielchen sitzend entfaltet nämlich das junge Aepfelchen an 
der Spitze fünf äussere grössere Kelchblätter und ebensoviel 
innere kleinere, die Mitte nehmen mehrere aufrechte Fäden 
«in, nämlich die Tuben oder Griflfel der Fruchtknoten, die 
sonst von den benachbarten Stanbgefässen umgeben und be- 
stäubt zu werden pflegen, hier aber derselben gänzlich entbehren. 



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40 



K. J. Camerarius. 



Schon in dieser Zeit war es an dem so kleinen Apfel nicht 
schwierig, die Anlagen der Samen zu erkennen als kleine 
weisse Körnchen in ihren Fächern; aber diese selbst hatten 
sich im folgenden Monat Juli, als die finihzeitigen Früchte 
schon ihre Keife erlangt hatten, nicht weiter entwickelt, son- 
dern verschrumpften und worden schwarz, so dass die Fächer 
im Uebrigen leer blieben, und in ihnen erschienen keine 
KeimpHänzchen ; es fehlt also wiederum beides zugleich: die 
Staubbeutel und die Samen. Folglich bedeutet der Ausdruck 
Fruchttragen hier so viel als: der nicht blühende Kaum trägt 
eine Frucht, nämlich das essbare Fleisch des Apfels; in Wahr- 
heit aber trägt er keine Frucht, w'eil er keinen Samen trägt, 
und so ist der Kaum ungeachtet der Menge der Früchte un- 
fruchtbar. Offenbar sind diese Aepfel eben solche Früchte 
wie die von mir erwähnten Keeren des Maulbeerbaums [Morus\ 
u. a., Windeier, wenn sie auch viel Fleisch haben, doch unfrucht- 
bar, weil sie des Keimes ermangeln. Das »innere Princip« 
also, das Kauhixus w'ohl aus dem Tueopurastus entnommen 
hat und mit dessen Veränderung auch das üebrige und die 
ganzen Verhältnisse der natürlichen Entwickelung sich ver- 
ändern müssen, wird entweder das Keimpfläiizchen sein, ohne 
das keine PHauze durch den Samen fortgepflanzt werden 
kann, oder der Staub der Staubbeutel, ohne den kein Keim 
im Ei entsteht. Da nun dieser Apfelbaum gegen die Ordnung 
der Natur der Staubbeutel entbehrt und nicht wie andere ge- 
schlechtlich unterschiedene Pflanzen ihm von der Natur zu- 
ertheilte männliche Organe besitzt, so wäre es freilich nicht 
wunderbar, wenn vielleicht die Staubbeutel nicht immer gänz- 
lich unterdrückt und ausgeschlossen werden könnten, sondern 
hie und da ein Theil derselben auftauchte und so unter so 
vielen tauben die eine oder andere Klüthe fruchtbar machte: 
jedenfalls sind mir in so vielen von mir durchschnittenen 
Aepfeln nur drei fruchtbare oder mit Keimpflänzchen ver- 
sehene Samen vorgekommen, während die grosse Zahl der 
Uebrigen taub war. Was mag die Ursache sein, dass dieser 
Kaum weder Staubbeutel noch Klumenblätter erzeugen kann? 
Auch bleibt mir hier noch etwas dunkel, insofern als ich bis- 
her nicht ermitteln konnte, wie er zuerst entstanden ist oder 
auf welche Weise ein solcher Kaum hervorgebracht wird. 
Von diesen kernlosen Aepfeln komme ich weiter auf die 
Weinbeeren ohne Kerne des Theopheast; einer solchen Reb- 
sorte gedenkt er nämlich mehrmals in verschiedenen Kapiteln 



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lieber das Geschlecht der Pflanzen. 



41 



seines Buches: De causis plautarum, lib. 111 und V. Auch 
die Methode erwähnt er, indem er sagt: *Man macht Trauben, 
die ohne Kerne sind, indem man das Mark des Behschosses 
entfernt, durch welches der Kern erzeugt wird.* Da ich hierin 
keine eigene Erfahrung halie, so führe ich die des Scäligek 
au. In seinem Commentar sagt er: * Merkwürdig, dass dieser 
Gelehrte keüien Versuch gemacht luit, wenn er über die Sache 
schreiben wollte. Uns ist sie genugsam bekamit: In unserm 
Garten haben wir Rehen mit keriilosen Beeren, aber dieselben 
entbehren nicht des Markes, uär haben sic aus Turin be.zogen, 
die Beerchen sind klein, man nennt sic Korinthen. In den 
Büchern über die indisehen Reisen steht, dass an einigen Orten 
im Orient solche mit sehr grossen Beeren ohne Holz Vorkommen. 
In diesem Jahre, welches sehr feucht gewesen ist, haljen wir aus 
unserem Weinberg von anthosmischeiU^) Reben, die von Laien 
gewülüdich Muskateller genannt werden, noch bei der gestrigen 
Mahlzeit Trauben und Beeren von gewöhnlicher Grösse gepßückt, 
aber ohne Kerne in letzteren, während im vorigen Jahre, das 
sehr heiss war und in dem kein Komet und keine Nebensonne 
erschien, die Beeren je drei sehr grosse und sehr harte Kerne 
enthielten. Deswegen meinte er [Theophrastus] seinem Grund- 
satz gemäss, da er diese Naturerscheinung nicht durch Versuche 
geprüft hatte, sein Urtheil aufschieben zu müssen, und fügt hinzu: 
Das ist nun noch weiter zu tmtcrsuchen.* Aber an einer 
anderen Stelle sagt er [Scalk4Eb] über das Ilerausnehmen des 
ganzen Markes: *Äls wir diese Operation gemacht hatten, war 
nicht nur die Mühe, sondern auch die liebe selb.d verloren.* 
Ob auch hier, wie beim Frühlingsapfel, die Blüthe der Staub- 
gefässe entbehrt, wage ich nicht bestimmt zu sagen. Es 

könnten aber ausserdem hier noch angeführt werden die stein- 
losen Früchte der Kirsche [Ora««], die Berberitzen [Berberis] 
ohne Kerne , die schon erwähnte eigenthümliche Sorte des 
Granatapfels [Punica], die auch keinen Samen in den Früchten 
haben soll u. a. , aber sie sind zu ungenau beschrieben und 
mir ist es nicht möglich alles zu erklären. Ra.ius nennt der- 
artige Pflanzen monströse oder entartete Sorten, die durch ein 
Katurspiel entstanden seien. Ich müsste mich aber sehr- 
irren, wenn sie nicht besser erklärt würden nach meiner eige- 
nen Auffassung, nämlich durch die bisher erörterten geschlecht- 
lichen Beziehungen der Pflanzen. 

Nachdem wir also die Uebereinstimmung in der Fortpflan- 
zungsweise bei Pflanzen und Thiercu so weit nachgewiesen 



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42 



K. J. Camerarins. 



haben, dürfen wir wohl mit Bohnius'-'®) sagen, dass die Zeu- 
gung bei den Lebendiggebärenden und bei den Eierlegenden 
und, fügen wir hinzu, die Empfängniss der Pflanzen sich so 
ähnlich sind, wie ein Ei dem anderen, wobei er sein Augen- 
merk natürlich mehr auf die wesentlichen Principien der Zeu- 
gung, als auf die nebensächlichen Unterschiede in der Art, 
sie zu vollziehen und zu gebären, richtete. Jedenfalls sehen 
mir mit Freude, wie allmählich uud nach und nach der Be- 
griff der Zeugung für beide Reiche in übereinstimmender Weise 
aufgefasst und genau umschrieben zu werden anfängt (zwar 
pflegte man ihn auf alle lebenden Wesen gemeinsam anzu- 
wenden, aber durch die verschiedene Auslegung auf der einen 
und auf der anderen Seite in der That zu verwerfen). Zuerst 
hat Joseph au Ahomatakiis®*) die von Aristoteles ange- 
nommene Anlage des Thieres im Ei, die der Pflanze im Samen 
wirklich, d. h. sichtbarlich nachgewiesen und dem berühmten 
Forscher Harvey dargelegt. Die Eierstöcke der Weibchen 
hat Steno®'') mit seinen Collegen kennen gelehrt; für den 
Keim der Pflanzen mit dem ganzen Empfängnissapparat hat es 
Malpighi gethan; den Pflanzen uud Thieren haben ganz all- 
gemein Eier und Samen zuerst zugeschrieben Swammerdam, 
Maleuranche, Peier ®®), eine Zusammenfassung der zerstreuten 
Principien haben Fabri, Perraux^t, Stur.m®^) gegeben, was noch 
fehlt, das Vorhandensein des männlichen Samens nachzuweisen, 
ei’gänzt Grew®®), und nach dieser Auffindung macht er den 
vielen ungleichartigen Bezeichnungen derselben Sache bei den 
Botanikern ein Ende, vieles, was die Alten überliefert haben, 
erklärt und bestätigt er. 

Nicht mit Unrecht dürfte also vielleicht seinerzeit Jungius 
den Botanikern voi’gewoi’fen haben®®), dass jeder die Bezeich- 
nung männlich und weiblich nach Willkür zu gebrauchen 
scheine; jetzt jedoch stehen uns hinlänglich deutliche Zeichen 
zu Gebote, um das Geschlecht der Pflanzen zu unterscheiden, 
und es ist eine Regel festgesetzt, die, um mit Morison zu 
reden®'), die Hirngespinnste jener oflenbart. Dass diese Regel 
der Neuzeit und des Alterthums auch schon damals von an- 
deren befolgt wurde, lässt sich aus dem ^\justoteleö uud 
Theophrast entnehmen: der letztere nämlich bezeichnet nicht 
nur ausdrücklich die blühende Palme als männlich, die frucht- 
tragende als weiblich, ja nimmt diese Bezeichnung als von 
früheren Botanikern überliefert au, sondern erwähnt den bei 
den Bäumen deutlichen (zo/po; pflegt er zu sagen, was die 



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lieber das Geschlecht der Pflanzen. 



43 



Ausleger mit publicus wiedergegeben haben) Unterschied mehr- 
mals, durch den Männchen und Weibchen sich auszeichnen, 
und bestimmt ihn nach der Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit; 
der erstere sagt (de generat. lib. b, cap. 5) -»bei den Pflanxen 
trägt die eine, Früchte, die andere nicht, teie Oelbaum und vnlder 
Oetbaum^^), Feige und rcilder Feigenbaum. Ebenso erkennt er 
an, dass Bäume derselben Art verschieden seien, indem die 
einen Frucht tragen, die andern nicht, aber den fruchttragenden 
zur Reife verhelfen, wie ein solches Verhältniss zwischen Feige 
und wildem Feigenbaum besteht (De gen. lib. I, cap. I). Das 
Beispiel der Palme blieb ihm nicht verborgen, wenigstens 
wenn er der Verfasser des ihm zugeschriebenen Buches de 
plantis ist; er wirft nämlich die Frage auf, ob bei den Pflanzen 
männliches und weibliches Geschlecht gefunden werde, oder 
ob die Art ans diesen beiden Geschlechtern zusammengesetzt 
sei, wie Empedocles annahm, in Uebereinstimmung mit Theo- 
P1IRA8TU8 : *Bei den Palment, sagt er [Ari 8 totele 8 ], »reifen 
die Früchte schncü und werden vor dem Abfallen bewahrt, wenn 
die Blätter oder der Staub der Blätter (Blüthen) oder die Rimle 
der iruinidichen Pflanxe auf die weibliche Palme gebracht wird, 
■<o dass sie xusammetdiängen, u. s. w. Wenn nun vielleicht von 
der Aushauchung der mämdichen Pflanze der Whul etwas zu 
der weiblichen trägt, so würden auch dann ihre Früchte reifen, 
rbciuso, wie wenn die Blätter (der Blüthenspross oder die Blüthen- 
scheide [elate sive spatha]) der mämdichen auf diese gehängt 
würden.* Aehnliches bringt Salmashis aus seinem Pi.iNirs 
vor. Wenn ein männlicher Baum zwischen mehreren weib- 
lichen steht, so befruchtet er die nahestehenden zwar schon 
durch die Berührung, die entfernteren aber dnreh den Hauch 
und seine Erscheinung [visu] und auch durch den Staub selbst; 
Jene neigen sich mit der Krone kosend nach dem Männ- 
chen hin u. s. w. »So wird der Gesehlechtstrieb aufgefasst, 
dass die Menschen sich sogar eine Befruchtmig ausgedacht haben 
bei der Blüthe und dm wolligen Fäden (Staubfäden) der männ- 
lichen Pflanxe, bisweilen aber nur bei dem Staub (Pollenstaub), 
der die weiblichen Pflanxen bcstäidd* (Peinius, Hist, animal, 
lib. 13, cap. 4). Und so ist bei der Palme der männliche 
Baum, welcher blüht, nicht fruchttragend, der weibliche ohne 
Blüthe fruchttragend [y.aQwmpÖQog oder flabavr](p6Qog], aber 
wenn der männliche Baum gefällt wird, wird jener zur Wittwe 
und danach unfruchtbar. 

Es fehlt nicht, ich gebe es zu, an Aussprüchen von Seiten 



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44 



R. J. Camerarius. 



dieser beiden berühmten Schriftsteller, die dem Gesagten zu 
widersprechen scheinen. Akistoteles erkennt au einer an- 
deren Stelle für die Pflanzen an, dass sie gebären und zeugen, 
bestreitet aber das Vorhandensein eines mäiinliehen, befruch- 
tenden Elementes {ro oxemv) (Hist. anim. lib. 4, cap. ll)“'*“]. 
Von Empedocles verlangt er, dass er ihm erst die Geschlechter 
getrennt zeige, bevor er ihm ihre Vereinigung zugeben könne 
(lib. de plantis). Dem Beispiele der Palme hält er die Gra- 
naten [Punica] entgegen, die ebenso den Oelbäumen [Oka] 
zuträglich seien, wenn sie mit ihnen zusammengepflanzt würden. 
Aber beiden Forderungen genügen die erwähnten männlichen 
Pflanzen, welche das Weibchen bestäuben und in ihm zeugen; 
Avas den di-itten Punkt betrifl't, so handelt es sich um ein 
ganz anderes und verschiedenes Verhältniss bei den l’flanzen, 
die sich in Folge von Beschattung oder Düften oder Ernäh- 
rung u. 8. w. gegenseitig fördern, wenn sie zusammengepflanzt 
werden, als bei denen, die sich beim Fortpflanzungsgeschäft 
unterstützen, wie Männchen und Weibchen. 

Auch Theophrastus scheint das früher Gesagte vergessen 
zu ha))en, wenn er die männliche und weibliche Tanne [Aiics], 
Kiefer [Pf/Mw] und mehrere andere unrichtig citirt und zur 
Unterscheidung die wiederum »deutliche« Verschiedenheit in 
der Weichheit des Holzes findet, wobei das Männchen dem 
Weibchen nachsteht'“*); hierin hatte er freilich viele Nach- 
folger, obwohl die Botaniker immer noch nicht darüber einig 
geworden sind, ob der Baum, den die Neueren Fichte [Picca\ 
nennen, die männliche oder weibliche Pflanze des Theopheast 
gewesen sei. In seinen weiteren Untersuchungen über das 
Geschlecht sagt er (lib. 3, cap. 6), dass einige männliche Pflanzen 
reichlich, andere gar nicht blühen und dagegen bei noch anderen 
nur die männlichen Frucht tragen, indem er die ziemlich un- 
wahrscheinliche Angabe hinzufügt: »die Bäume entstellen aus 
Blüthen (wohl dem Pollenstaub der Kätzchen), sowie aus den 
Früchten detjenigen, welche Früchte erzeugen können, tmd bis- 
weilen entstehen sie so reichlich auf beiderlei Weise, dass uixni 
sich kaum einen Weg hindurch bahnen kann.t Die bessere Frucht , 
meint er schliesslich, Averde von der weiblichen Pflanze geliefert, 
Avenn beide, die männliche und weibliche, fruchthagend sind, 
Avenn man jene nicht vielleicht lieber die männliche nennen 
Avolle.'*') Wie dem auch sei, diese späteren Aussprüche Averden 
die früheren, so klaren nicht beeinträchtigen, besonders da mau 
allgemein über die traurige Verstümmelung der Handschriften 



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Ueber das Geschlecht der Pflanzen. 



45 



des Tiieophkast zu klagen pflegt, woraus sich vielleicht diese 
zuletzt citii'ten Sätze erklären lassen. (Kürzlich habe ich er- 
faliren, dass eine neue von C. Hofmaxx hinterlassene Ueber- 
setzung mit vielen Anmerkungen dem Schwiegersohn unseres 
jüngst verstorbenen Vorsitzenden Volkamek, Tuoälasius 
überlassen worden sei, und so wird, hoffe ich, das Manuscript, 
das wegen seines Verfassers und seines Auslegers eines besse- 
ren Schicksales würdig ist, einen Herausgeber finden.) Am 
meisten aber wundere ich mich über Folgendes: nachdem er 
(de causis, lib. 2, cap. 13) vortrefilich und ganz in unserem 
Sinne über die Palme gesprochen hat, verhandelt er bald 
darauf im folgenden Capitel die Umstände, aus denen bei ver- 
wandten Pflanzen die einen steril, die anderen fruchttragend 
sind [u/.aQJta und yMonifta], von denen diese als weibliche, 
jene als männliche bezeichnet würden, und will den Grund 
der Unfruchtbarkeit aus der reichlicheren Ernährung des ganzen 
Pflanzenkörpers ableiten: gleichwie aus demselben Grunde der 
Hahn keine Eier legt. Weniger wichtig ist vielleicht der 
Einwand, wenn er, wie auch Kajus bemerkt, beide Palmen, 
die männliche wie die weibliche, zu fruchttragenden zu machen 
scheint, wenn er nämlich schreibt (Hist. lib. 2, cap. 8) : » Von 
(kn Palmen kt die eine Art fruchttragend, die andere unfrucht- 
bar; von den fruchttragenden situl die einen männlich, die 
anderen weiblich.* Denn oft genug spricht er eine andere 
Ansicht aus und er wird sich hoftentlich doch nicht selbst 
widersprechen. Vielleicht werden gewisse Palmen, die wegen 
des ungünstigen Standortes weder zur Blüthe noch zur Frucht 
kommen, für steril ausgegeben, andere aber, die anderswo 
Blüthe und Frucht tragen, beide selbst fruchttragend genannt. 
Was übrigens die Verschiedenheit betrifft, wonach die männ- 
liche Pflanze härter und trockener als die weibliche sein soll, 
so lege ich auf sie, als eine nebensächliche, hier nicht mehr 
Werth, als auf die verschiedenen Temperamente des Mannes 
und des Weibes : die Männchen aber ferner blühen alle, wäh- 
rend sie nirgends, in beiden Reichen, eine Frucht bringen; 
doch aus ihrem Staub oder ihrer Blüthe, wenn er auf einen 
anderen Ort als auf den Eibehälter des Weibchens gestreut 
wird, entsteht niemals eine Pflanze, wie auch kein Junges aus 
dem entleerten Zeugungsstoff der Thiere entsteht, wenn er 
nicht ein Ei trifl't. Aus allem bisher Dargelegten geht also 
hei'vor, dass es bei dem mit Testikeln versehenen Bingelkraut 
[Alercurialk] , Avelches die Botaniker bald als Männchen, bald 



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46 



R. J. Camerarina. 



als Weibchen bezeichnen, nicht auf die noch so gi'osse äussere 
Aehnlichkeit der beiden Knöllchen mit den Testikeln der Männ- 
chen ankomme ; denn es sind Früchte und sie ernähren einen 
Keim im Innern, was eben nur dem Weibchen zukommt. Der- 
selbe Grund gilt für das wilde Bingelki-aut[J/c)-«<n«fe 
das die Alten in arrenogonum und thelygonum, als ein solches, 
das Knaben [mariparnm] und ein solches, das Mädchen [femini- 
parum ■ geboren werden lässt, unterschieden haben worüber 
Salmasius, an dieser Unverständlichkeit Anstoss nehmend, 
sagt: *Die alten Pflanxenkundigen haben ivirklieh viek Vef'wir- 
nnnj angerühtct und sind weder in dem Ausdruck constant noch 
schreiben sie das Gleiche; über ihre Nachlässigkeit hierin und 
in anderen Dingen habe ich mich oft gewundert.* Deutlich 
setzt MaoxoiA***) die Natur jener Pflanzen auseinander, ändert 
aber nur die Namen : Beule Senden von Bingelkraut (die er als 
solche mit Aehren und solche mit Testikeln bezeichnet) ent- 
stehen aus dem Satne7i des Männchens, dentt das Weibchen ist 
die unfruchtbare Sorte, das bisher richtiger als fruchtbar ge- 
golten hatte. Vielleicht aber ist die Bedeutung dieser Namen 
dieselbe wie bei dem sogenannten Knabenkraut [aataegonoji'' , 
das, wie Salmasii’s meint, seinen Namen von der Eigen- 
schaft erhalten hat, die es heim Gebären besitzt: denn es be- 
wirkt, dass die Frau, die davon getrunken hat, einen Knaben 
gebiert. Wenn wir ihm glauben dürfen, giebt dies Plixius 
an.'"*) Alle anderen Pflanzen, die man als männlich und 
weiblich zu unterscheiden pflegt, sind dadurch, dass sie l)eides 
tragen, sowohl Blüthen als auch Samen, nicht den geschlecht- 
lich verschiedenen, sondern den Zwitteni zuzurechnen: z. B. 
die Päonie [Pacotiia], der Ehrenpreis [Veronica], der Gauch- 
heil [Anagallis], die Stabwurz [Artemisia^ , die Cornelkirsche 
( C'or?»«.«] u. s. w. '"6) Bisher wird auch ohne Begründung der 
Farn [F’jfe] männlich und weiblich genannt. LaurenujekgI"') 
bemerkt, dass die Pfirsiche, deren Fleisch sich von den Steinen 
loslöst, für die Früchte des weiblichen Pfirsichbaumes gehalten 
werden, bei denen es fest anhaftet, für die des männlichen. 
Bei den Quitten würden die länglichen Früchte den männ- 
lichen , die runden den weiblichen Pflanzen zugeschrieben ; 
auch ein gelbliches Fruchtfleisch würde von den Franzosen 
als Zeichen der männlichen, ein rein weisses als eines der 
weiblichen Pflanze angesehen. So darf man zwar mit dem 
Volke sich ausdrttcken, aber denken muss man mit den Ge- 
lehrten. 



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lieber das Geschlecht der Pflanzen. 



47 



Aber -«"ohiu lasse ich mich fortreissen ! Es scheint, als 
Vergüsse ich meine in der Einleitung festgesetzte Aufgabe und 
schriebe verwegener darauf los, als recht ist. So pflegt freilich 
der Geist sich bei dem aufzuhalten, was ihm zusagt, und nur 
ungern sich znr Betrachtung dessen lenken zu lassen, was der 
liebgewordenen Meinung entgegensteht, wenn er ganz darauf 
ausgeht, dieselbe annehmbar zu machen. Deshalb rüste ich 
mich zu dem zweiten Theil meiner Aufgabe, die Zweifel, die 
mir bei der Ueberlegung des oben Gesagten aufgestossen sind, 
darzulegen. Aber ferne sei es von mir, dass ich Dir, o 
Thessalüs, durch einen weitschweifigen Brief neue Last 
machen will, ich will es unterlassen, die Verdachts- und Gegeu- 
grttnde, die alle gegen die Geschlechtlichkeit aufgebraeht werden 
können, zu sammeln; wie ich durch das Studium der Lebens- 
erscheinungen der Pflanzen und durch Beobachtungen mich 
habe dazu bringen lassen, für das Geschlecht der Pflanzen zu 
schreiben, so will ich keine anderen Bedenken hier zur Sprache 
bringen, als besonders zwei, die sich auf die Erfahrung be- 
ziehen, aber um so schwieriger zu beseitigen sind. 

Erstens giebt es Pflanzen, die Staubbeutel besitzen und 
zwar reichlich, aber keine Samen. Nun aber scheint es nicht 
glaublich, dass bei einer Pflanzenart die Weibchen fehlen: 
denn dann wären die Männchen, wenn auch noch so zahlreich, 
umsonst da, und die Natur würde ihren Endzweck, nämlich 
die Fortpflanzung, nicht erreichen. Der Bärlapp [Ltjcopodiui)i\ 
oder das keulentragende Erdmoos [L. elamtuni\ trägt Kätzchen- 
bliithen, die Pollen liefern, wie ich oben schon bemerkt habe: 
der Schachtelhalm [Eqnisduni\ schliesst seine Sprosse, wann 
sie wie Spargel aus der Erde kommen, mit einem keulen- 
förmigen Köpfchen ab, das voll Staubbeutel ist und vollkom- 
men den Kätzchen der Waldbänme gleicht. Der Staub, mit 
dem diese beiden Gebilde angefiillt sind, besteht aus einer 
Menge von Kügelchen und wird in üblicher Weise in die Lnft 
verweht: der erstere wird in den Apotheken gebraucht und 
Bärlappsamen genannt. liier ist also der männliche Samen 
reichlich vorhanden, aber es entspricht ihm kein weibliches 
Geschlecht, es fehlen die Griffel, die Samenbehälter, die Samen, 
denn dass der Schachtelhalm oder Bärlapp mit diesem Staub 
ausgesäet werden könne, möchte ich wenigstens nicht glauben. 
Ich gebe zu, beide Gattungen gehören zur Klasse jener Pflanzen, 
die man unvollkommene nennt, die wir früher vorläufig von 
unserer Betrachtung ausgeschlossen haben, als solche, die keine 



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48 



R. J. Camerariu8. 



oder nur nndeutliclie Hlilthen nnd Samen besitzen und deren 
Ursprung und Vermehrung deshalb noch ziemlich dunkel ist. 
Jedoch lässt unsere Ansicht nur schwer zu, dass eine solche 
Menge liefruchtenden Stoflfes umsonst ausgestreut werde. 

C. UArnix erwähnt einen gewissen Schachtelhalm mit vielen 
Samen, bei dem mehrere Körner an den Knoten der Stengel- 
glieder angew'achsen sind''’'*), aber ich wage nicht zu ent- 
scheiden, was das für Körner sind, Gallen oder wirkliche 
Samen, da mir dieselben niemals vorgekommen sind, obgleich 
ich danach gesucht habe, und da von den Botanikern viele 
sich nicht sowohl auf das, was sie selbst, als .auf das, was 
andere gesehen haben, beziehen und es wieder anführen. 

Zweitens glaube ich beobachtet zu haben, dass weibliche 
Pflanzen Früchte tragen, ohne den männlichen Samen be.an- 
spmcht zu haben. Dies ist das andere, was nicht zu meiner 
Ansicht passt. Beim türkischen Weizen [Zea] waren die zwei 
angeführten Aehren gänzlich ohne fnichtbare Körner geblieben, 
wie oben erwähnt: jedoch die dritte Aehre, aber die erste der 
Entstehung nach, timg elf fruchtbare Samen, die mit ihrem 
Keimpflänzchen, wie es in dieser Klasse die Regel ist, aus- 
gestattet w'aren, und somit durchbricht sie das Gesetz von der 
absoluten Kothwendigkeit des männlichen Pollens, in directem 
Gegensätze zu der diesem zugeschriebenen Aufgabe. Damit 
ich übrigens nichts verschweige, so war auch in dieser Aehre 
der grössere Theil der Kölner taub und von der Art der 
Windeier; jedoch jene elf, die mit ihren Keimen versehen 
sind, verlangen einen Vater und fordern eine Bezeichnung 
dessen, was sie befruchtet hat. Ich würde mir darauf selbst 
die Antw'ort gegeben haben, dass die Staubbeutel nicht sorg- 
fältig entfernt gewesen seien und die wenigen übrigen auch 
genügt hätten zur Befruchtung von nur wenigen Körnern, 
wenn ich nicht der Ueberzeugung wäre, dass ich sie selbst 
vorsichtig und gänzlich entfernt und dasselbe zweimal beob- 
achtet habe. Andere verw^andte, in der Nähe blühende, konnte 
ich nicht verantwortlich machen, denn ich hatte den zur 
Beobachtung bestimmten Stock weit von seinen Genossen ent- 
fernt gepflanzt. 

Endlich habe ich geglaubt, nachdem das Bingelkraut Til/cr- 
eun>//is] und der Spinat so ausgezeichnet zum be- 

weise für das Geschlecht der Pflanzen gedient haben , auch 
iinen Versuch mit dem weiblichen Hanf [Cr/miabü] in ähn- 
icher Weise anstellen zu sollen, indem ich ihn dem Zuthnii 



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Ueber das Geschlecht der Pflanzen. 



49 



des mitnnlichen entziige. Dennoeli aber entdeckte ich hei drei 
jungen Pflanzen, die ich aus dem Feld in den Garten verpflanzt 
und, da sie bei den ersten Anzeichen als weibliche erkannt 
wurden, sorgfiiltig gepflegt hatte, dass sie, obgleich sie sich 
keiner Blfithe eines benachbarten Männchens ihrer Art erfreuen 
konnten, zu ihrer Zeit mit sehr vielen fruchtbaren Körnern ver- 
sehen w'aren, und habe mich, ich gestehe es, recht daritber 
geärgert; denn dass diese Pflanze das Gegentheil von ihren 
Genossen thun w'firde, vermuthete ich keineswegs. Ich suchte 
also den Grund darin, dass jene Pflanze zu spät aus dem 
Felde der blflhendcn, von denen vielleicht schon einige vor- 
zeitige ihren Illüthenstaub ausgestreut hatten, entfernt worden 
sei, oder dass in dem Garten Pflanzen anderer Art, die in 
Menge blühten, die befruchtungsbedürftigen -weiblichen Hanf- 
pflanzen (die stark und freudig herangewachsen waren) bestäubt 
hätten, wie ja Kiemand daran zweifelt, dass im Thierreiche 
ein AVeibchen von dem Männchen einer verschiedenen Art 
befruchtet werden könne: jedoch, wie das Sprüchwort sagt, 
in Afrika giebt es immer etwas Neues. (Neu ist auch hier 
die schwierige Frage, ob eine weibliche Pflanze von der männ- 
lichen einer verschiedenen Art befruchtet werden kann, der 
w'eibliche Hanf [Cammhis] von dem männlichen Hopfen [Hu- 
mulus], der Ricinus, dem man die kugeligen Staubbeutelblttthen 
genommen hat, durch die Bestäubung mit dem Blüthenstaub 
des türkischen Weizens [Zen.? u. s. w. , ob und in wie weit 
verändert ein Keim daraus entsteht). Deswegen beschloss ich 
die Körner des Hanfes noch einmal zu säen und das Gefäss 
ganz aus dem Bereich der anderen Pflanzen an einen ge- 
sonderten Ort zu stellen, und wiederholte unter diesen Umständen 
das Experiment im nächsten Sommer und siehe da, der Zufall 
wollte, dass ich drei w'eibliche und eben so viele männliche 
Pflanzen erhielt; nachdem ich die letzteren abgeschnitten hatte, 
als sie zw'ar schon eine gewisse Grösse erreicht (denn leider 
war ich abw^esend), aber die Staubbeutel noch nicht entwickelt 
hatten, wartete ich also begierig auf das Schicksal der anderen. 
Wie ich es auch im Jahr vorher beobachtet hatte, erschien 
zwar bei einzelnen eine ungeheure Menge von tauben Samen 
oder leeren Samenbläschen ohne Keimpflänzchen; jedoch w\aren 
auch ausgebildete Samen in nicht geringer Zahl vorhanden, 
und solche waren besonders die, w'elchc dem Stengel zunächst 
sassen und die ersten in der Entwickelung waren, während die 
tlbrigen später entstehenden häufiger leer und taub waren. 



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50 



R. J. Camerarius. 



Was also nun, wenn mich das trügerische Experiment so 
im Stiche lässt? Freilich wird es dadurch schwieriger, sich 
ein Urtheil zu bilden, und das Wort Boyle’s '•”•) bestätigt sich, 
was er bei Gelegenheit der Versuche, die nicht gelingen oder 
doch einen anderen Ausgang als den gewünschten nehmen, 
gesagt hat; » Versuche, durch die man theorethche oder praktische 
Annahmen %u hcgriindcn wünscht, müssen mit der grössten lor- 
sicht und wiederhole nüich angestellt werden, und auf die, welche 
nur einmal gelungen sind, darf man sich nicht xu sehr ver- 
lassen. € Es ist aber kein Grund, den Muth sinken zu lassen, 
wenn auch gewisse Versuche unserem Wunsche immer nicht 
entsprochen haben, indem uns ja jener riiilosoph daran er- 
innert, dass wir noch mehr Genossen dieses Missgeschickes 
haben. Deswegen habe ich im Geiste schon neue für den 
kommenden Sommer, wenn uns Gott ihn schenkt, geplant und 
lasse mich nicht von der Geschlechtlichkeit der Pflanzen ab- 
bringen, die ja die Natur selbst anzudeuten schien und für die 
der grössere Theil meiner Beobachtungen ins Feld geführt werden 
kann. Uebrigens klammere ich mich nicht an diese Ansicht, 
wie ein vom Sturm Verschlagener an einen Felsen: für die 
Wahrheit meiner Ansicht werden sich noch zwingendere Gründe 
finden. Aber mit der umsichtigsten und eifrigsten Akribie 
werde ich die etwa vorhandenen, vielleicht noch verborgenen 
Irrthümer meiner früheren Beobachtungen zu vermeiden streben 
oder die Vermnthung zu bestärken trachten, die ich bei An- 
wendung des Mikroskops geschöpft habe, wie die Schwierigkeit 
zu beseitigen sei, die sich aus der Fruchtbarkeit des Hanfes 
ergiebt. Dir aber, mein verehrtester Gönner und College, wird 
der Brief, den ich Dir gewidmet habe, auch so zur Beurtheilung 
vorgelegt. Um so weniger trage ich Bedenken, den Genossen 
im Studium und den Mituntersucher der Wahrheit dazu ein- 
zuladen, je mehr ja den Natnrfoi-scher die Art und Weise seiner 
Beschäftigung dazu verpflichtet. Du wollest das, was ich grössten- 
theils unter den Wirren des Krieges und den unglücklichen 
Verhältnissen unseres Vaterlandes geschrieben habe, für recht 
und billig erachten, das Wahre, was Du etwa darin findest, 
zu vollkommenem Ausdruck bringen, das Falsche verbessern; 
ermahnt und belehrt zu werden, wird mir das Zeichen Deiner 
Gunst sein. Die göttliche Gnade beschirme Dich, lass es Dir 
recht wohl gehen und es Dir gelingen, den Glanz der Academie 
und das Gedeihen der Naturwissenschaft zu fördern. 

Tübingen. In meinem Museum, den25.Aug. des Jahres 1694. 



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Ueber das Geschlecht der Pflanzen. 



51 



A. A. 

Ode. 

w — — — 

— V> — v«/j 

Es künde mein Gesang euch ein neues Keich 
Der Liebe, neue Freuden, Begierden, fremd 
Und unbekannt — der Pflanzen heimlich 
Feuer und wundersam Liebessehnen. 

Schenkt eure Gunst mir all’, die mit kuiid’ger Hand 
Horazens Laute schlaget zu hehrem Klang; 

Jetzt fordert euren Beistand Flora, 

Möge dies Lied eines Dichters werth sein. 

Ihr Liebenden jedoch und ihr Heerden dort 
Der Thiere, sprecht für mich übereinstimmend 
In zücht’ger Ked’ und zeigt durch euer 
Wesen, dass Wahrheit allein ich künde. 

Im Frühlingswehn entfaltet die Blüthe sich. 

Setzt an für künft’gen Samen die Staubgefäss’ 
Verschiedenes Geschlecht vermählend; 

Bis sich dann spalten die Pollensäcke 

Und platzend ihren gelblichen Pollenstaub 
Nach allen Seiten streuen wie zartes Mehl, 

Und günst’ger Wind die feinen Stäubchen 
Ueberallhin in die Weite führet. 

Dies soll der Liquor männlichen Samens sein. 

Der durchgeseihte, reinere Theil des Safts, 

Er deckt des nachbarlichen Griffels 
Oeflfnung und hängt auf der zarten Narbe 

Ostwald's Klassiker. 105. 5 



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52 



K. J. Camerarius. 



In reicher Fülle, netzend die Glieder so 

Des Weibchens, so nun hat die Vermählung statt, 

Zwar unverhüllt, doch diese Liebe 

Wird nicht die Pflanzen der Scham berauben. 

Lass hierher bringen lieblicher Rosen Zier, 

Die rasch verblüh’n und Lilien: sieh nur wie 
Vom Pollensack des Männchens Samen 
Dringt in des Fruchtknotens Leibeshöhle, 

Sein Ziel verfolgend, da ja der gröss’re Theil 
Der Pflanzen zwittrig ist und sie selbst sich frei’n. 

Indem die Theile sie entwickeln 
Beider Geschlechter in einer Blüthe. 

Auf in den Wald, zu schauen, wie sonderbar 
Der Bäume Blüthen sind, wie hier zapfengleich 
Die Kätzchen schwellend niederhangen. 

Streuend umher einen Schwefelregen: 

Denn männlich ist die Fichte da, wo sie blüht. 

Doch weiblich, wo vom Zapfen die erste Spur 
Sich zeigt; der Baum so wechselweise 
Giebt und empfängt mit verschiednen Gliedern. 

So, eng verbunden, paaret die Schnecke sich. 

Sie liefert Samen und sie empfängt ihn auch. 

Da diese Thiere in sich bergen 
Männlich’ und weibliches Glied vereinigt. 

Nicht so die edle Palme, der räuchernde 
Wachholder, noch der duftende Lorbeerbaum: 

0 Wunder, welche Blüthen tragen, 

Mangeln der Früchte, und welche fruchten. 

Die blühen niemals, aber in ihrer Form 
Zu einer Art ergänzen die beiden sich; 

So unterscheiden dem Geschlecht nach 
Auch sich die Thiere und auch die Menschen. 

Was willst Du mehr? Doch zweifelst Du noch, so sieh: 
Des Hopfens Schlinggewächs, allen Trinkern wohl 



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Ueber das Geschlecht der Pflanzen. 



53 



Bekannt, und der Spinat, in Küchen 
Oftmals gebraucht, und der Hanf, von Bauern 

Gepflückt, der zweigeschlechtliche, riechende, 

Diis Kraut, das des Mercurius Namen trägt — 

Sie lehren, dass von einer Mutter 
Männlich’ und weibliche Kinder stammen. 

So wie, wenn die Empfängniss vollzogen ist, 

Die harte Schale deckt eines Hühnchens Keim, 
Wenn nur die Eier in der Henne 
Vorher belebte des Hahnes Samen — 

Dagegen, wenn sie zeugte als Jungfrau und 
Als Wittwe, leer die Eier und windig sind, 

Und keine Hoffnung ist auf Junge, 

Wenn sie auch Flüssigkeit gänzlich ausfullt: 

Und wie den Fisch die Hülle der Eier nicht 
Noch auch die rasche Welle verhindern kann, 
Wenn er den Laich, den ihm das Weibchen 
Legt, mit dem Samen beleben möchte; 

So gehts mit vielen Pflanzen, bei denen die 
Fruchtknoten erst entstehen, die dann berührt 
Vom Blüthenstaub anschwellen, und im 
Innern den Keim einer Pflanze bergen. 

Denn es entspriessen beide Geschlechter dort 
An einer Stell’ und nah ist das Weibchen, wenn 
Der Wind des Männchens zarten Samen 
Fortweht wie Bauch und ihn ringsum ausstreut. 

Doch nimm die Blüthe oder den Griffel weg. 
Entzieh’ der keuschen Jungfrau des Mannes Kraft, 
So hast die Pflanze Du verschnitten. 

Hast so verhindert der Samen Bildung. 

Dann sind die Samen leer nur und ohn’ Erfolg 
Müht sich das Weibchen ab und erreichet nichts; 
Was hilft nun die gefüllte Blüthe? 

Früchte nicht bringt sie und keinen Nachwuchs. 

5 * 



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54 R- J- Camerarius. Heber das Geschlecht der Pflanzen. 

Bestätigt seh’n wir jetzt mit Verwunderung 
Für Thier’ und Pflanzen gleiche Geschlechtlichkeit! 
Was lebt, was Nachkommen hervorbringt, 

Alles entsteht auf dieselbe Weise. 

0 mächt’ge Kraft des Geistes, die Uu entdeckt 
Zuerst so Grosses, was durch Jahrhunderte 
Verborgen war; wer der Natur sich 
Weihte, ihn möge Dein Kuhm begeistern! 

0 hehre Allmacht, die Du die Welt erschufst. 

Du sorgst die Ordnung, welche Du eingesetzt. 

In der Natur stets zu erhalten. 

Liebst zu verjüngen die alte Schöpfung. 



f. A. E. 



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Anmerkungen. 



Zur Abfassung dieser Anmerkungen ist mir die Reich- 
haltigkeit der SiCNCKENBEHG’schen Bibliothek zu Frankfurt a. M. 
an älteren naturhistorischen Autoren sehr zu Statten gekommen, 
so dass ich die meisten der von Camekarius citirten Werke 
selbst nachzuschlagen im Stande gewesen bin. 

1) Gemeint ist Professor Michael Bernhard Valentini 
in Giessen, der in der Academia Naturae Curiosorum den 
Namen Thessalus führte (conf. Einleitung). 

2) Nehemiä Grew, The Anatomy of Plants etc. London 
1682, Anatomy, Book IV (p. 172) § 8; That the same Plant 
is both Male and Female, may the rather be believed, in 
that Snails, and some other Animais, are such. And the 
parts which Imitate the Menses and the Sperm, are not pre- 
cisely the same; the former, being the external Parts of the 
Attire, and the Sap, which feeds them; the latter the small 
Particles or moyst Powder which the External inclose. 

3) Joh. Rajus, Historia Plantarum generalis. Tomus pri- 
mus, London 1693, lib. I, p. 17. Nachdem er die in der 
vorigen Anmerkung citirte Stelle aus Grew wiedergegeben 
hat, fährt er fort: Haec si ita sint, non similitudine aliqua 
duntaxat, sed revera et stricte loquendo sexu diflferunt plantae 
illae, quarum aliae semen absque fiore, aliae (ab ejusdem 
plantae semine ortae) florem absque semine producunt. Tales 
sunt in Arborum genere Pahna dactylifem, Saliccs pleraeque 
ex nostra observatione et secundum Plinium etiam Cedrus 
major: in Herbarum, Lupulus salictarius, CannabiJ^, Cynocrmnhrj 
Mercurialis, Phyllon, Urtica, Spinachia, Scmmoidcs Clusii, 
aliaque non pauca. 

4) Joh. Christoph Sturji (1635 — 1703), seit 1669 Pro- 
fessor der Mathematik und Physik in Altdorf. Die hier ge- 
meinten Schriften sind: 



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56 



Anmerkungen. 



Physicae couciliatricis conamina, Altdorf 1684 und 
Skiagraphia qiiaedam diduccndi alias uberius argumenti 
de plantarum animallumque generatione. Altdorf 1687. 

5) Der Ausdruck apices für Antheren (hier immer mit 
Staubbeutel übersetzt) findet sich zuerst bei RA.nJ8 (conf. 
Anm. 3, 1. c. p. 17) mit diesem bestimmten Sinne: Capitula 
sive cacuminula staminibus incumbentia, ajnccs dicuntur; Mal- 
pighio staminum capsulae. — Capitula staminum nenut sie 
JuNGius. Der Ausdruck apices kommt, aber ohne eigentliche 
Definition, auch schon bei Spigelius (Isagoge in rem herba- 
riam, Patavii 1606, p. 14) vor und dieser citirt sogar den 
Peinius mit den Worten: In Kosae floribus staminula, flosculos 
aurei coloris appellavit Palladius, Plinius luteos apices. 

0) Hierzu vergleiche man: Joachim Jungii Doxoscopiae 
physicae minores sive Isagoge physica doxoscopica (Hamburg 
1662), Part. 2. Sect. 3. Fragm. 4. Caput 3 de Flore, wo im 
2. Abschnitt die Ausdrücke des Theophrast besprochen und 
übersetzt werden: »flores alii lanuginei [yvoiöäri), nt omnium 
fere Spicam gerentium, alii foliis constant [(pvlküdif), ut Legu- 
minum« [ebenso übersetzt Gaza die Stelle dos Theophrast". 
Gleich darauf heisst es: »nunc quaeritur, utrum Flos Lanu- 
gineus sit qui Muscosus dicitur Penae et Lobelio, Ceusio, 
Dodonaeo, et Daeechampio et Mosecht Tabernaemontano. c 
Im Anfang des folgenden Abschnittes fährt dann Jungius fort: 
»Sunt et Flores quidam falso staminei dicti, qui rectius ex 
Flosculis Cavis sive Fistulis arcte farcti sive Fistulosi dice- 
rentur. Stamimi dici possunt, qui solis Staminibus constant, 
ut Secalis (Rogken) etc.* Die fälschlich flores staminei ge- 
nannten sind die Seheibenblüthchen der Compositen, da 
Jungius sagt: »Ita Cuusius Stamineos Flores tribnit Carduo 
Molli Primo (Rarior. Plant. Hist. I. 5. c. 41) et Cirsiis (ejusd. 
1. c. 40)« etc. 

7) Fabius Columna, Ovtnßäaavog sive plantarum aliquot 
historia, Neapoli 1592: gleich bei der Besprechung der ersten 
Pflanze, Isopunmi Dioscoridis (Akeley) heisst es: floris folium 
TtfTcÜMV intelligendum, nam idem Dioscoeides in capite de 
Unguento Rosaceo ait, l‘odiov aßQoyiov ctQi&itöi ylXia 7it- 
rcī, Rosarum non madidarum numero mille folia. 

8) Salmasius, ein französischer Kritiker (1588 — 1653). 
Eine seiner zahlreichen Schriften ist betitelt: Plinianae exer— 
citationes in Caji Julii Solini polyhistoria. 



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Anmerkungen. 



57 



9) Der Ausdruck y.Qoy.iuöeg findet sich bei Dioscorides 
in seiner Matena Medica lib. I, cap. 26: ireQi xQoy.of.icty- 
fiarog (crocomagma ist das, was bei der Bereitung des Saf- 
franöls übrig bleibt). Es heisst von diesem y.Qoxofiayua: 
iari . . Iv TiJ) öte^rjvai S/.avioz XQOXCoösg tijv yQÖar, was 
Matthiolus übersetzt: madefactum croci colorem rcddit. — 
y.QOxiodrfg heisst saflfranfarbig. 

1 0) Die betreffende Stelle im Ovid steht in Metamorphoseon 
über in, V. 509 — 510, wo es nach der Verwandlung des Nar- 
cissus heisst: 

. . . croceum pro coi'pore florem 
inveniunt, foliis medium cingentibus albis. 

Aureus Amellus wird von Vikgil in Georgien 4, 27 1 erwähnt: 

Auch auf Wiesen erblüht ein Gewächse — den Namen 

Amellus 

Gab ihm ein Ackersmann — von Suchenden leichtlich 

zu finden: 

Denn als mächtiger Wald entsteigt es dem einzigen 

Stocke ; 

Gülden die Blum’ an sich, doch zwischen den Blättern, 

die zahbeich 

Wallen umher, glänzt scliillernd der Pui-pur dunkler Violen. 

Georg Wolfgang Wedel schrieb ausserdem de Amello 
Vergilii (Jena 1680) und de herbis germanis Ovidii (,Iena 1689); 
was es mit dem Melilotus für eine Bewandtniss hat und auf 
welche Schrift hier angespielt wird, geht aus der Stelle nicht 
hervor, die deswegen auch nicht ganz klar ist (»sed quem 
Melilotum determinans D. Wedelifs clarius illustrat«). 

11) Valeriana graeca Dodonaeus = PoJemonium comdmm 
L., wegen der Aehnliclikeit der Blätter früher zu Valeriana 
gestellt; conf. Bauhin, Pinax, Valeriana coerulea. Lysimachia 
lutea = Lysimachia thyrsiflora L. oder L. vulgaris L. oder 
L. punctata L. 

12) Das Vorkommen Ozähliger Blüthen bei Datura ist wohl 
nicht so selten und dem Verf. wird eine solche ßzählige 
Blüthe Vorgelegen haben. Bei den Solaneae sind hexamere 
Blüthen mit trimerem G 3 ’näceum häufig (nach der Angabe von 
Wettstein in Engler-Prantl’s natürl. Pflanzenfamilien.) 

13) Der Iris werden 9 Blumenblätter zugeschrieben, offen- 
bar, weil Verf. die drei blattartigen Narben dazu rechnet. 



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58 



AnmerknngeD. 



14) Verf. nennt die Kreuzblüthler tetoapetali siliquosi 
(Rajus; herbae Höre tetrapetalo siliquosae), die tetrapetali pa- 
pilionacei sind die Papilionaceen, indem die Carina für ein 
Blüthenblatt gerechnet wird; warum er ihnen nur 5 Staub- 
gefässe zuschreibt, da die ihm bekannten meistens 10 be- 
sitzen, ist fraglich; vielleicht ist es ein Gedächtnissfehler, 
indem er sich nur an die grössere Anzahl Staubgefässe er- 
innerte und glaubte, es wären 8 entsprechend den scheinbar 
4 Blumenblätern. 

15) J. R.\jus, Historia plantarum. T. I, lib. I, cap. X (p. 17): 
»Sunt autem flores tarn copiosa habentes stamina, ut eorura 
numerus non facile possit iniri, staminoso idcirco dicendi; ut 
Ranunculo, Papavere etc.« 

16) Diese Stelle findet sich einige Zeilen weiter als die 
in der vorigen Anmerkung citirte. Von Borago sagt Rajus 
(lib. X, p. 493): Ilujus notae sunt semina riigosa, flores stellati 
laciniis acutis, apicibus in umbonem acutum coeuntibus. 

17) Mälpighi, Anatome Plantarum (London 1675) p. 4S 
im Capitel De floribus, Erläuterung zu Tab. XXX: »In arbo- 
rescente malva (fig. 180) a floribus umbilico A, tnbulosum 
Corpus B ascendit, quod suiculi instar, multiplices staminum 
petiolos C promit; interior autem concavitas stylo occupatur, 
ejusque tubae D prominent.« 

18) P. Hermann (1646 — 1695) beschreibt und bildet ab 
in seinem Horti Academici Lugduno-Batavi Catalogus (1687) 
ÄÜhaca ricini folio virginüma (p. 23), eine Art, die ich später 
nicht wieder erwähnt gefunden habe, und Altham indica folio 
vitis flore amplo pendente (p. 28), die nach LiNNE als Hibisetm 
i'iHfolius zu bezeichnen ist. Da Hermann zur Zeit, als Caaie- 
RARius auf seinen Reisen nach Holland kam, Professor zu 
Lej'den war, so kann er wohl von diesem als präceptor be- 
zeichnet werden. — Uebrigens ist die ersterwähnte Althaea 
jedenfalls weder Ilibisnis ricini folius noch H. virginicu.t , sie 
ist kleinblrtthig und vielleicht eher eine Pavo7iia: sie sieht der 
F. ColumcUa Cav. (Cav. Diss. tab. 48, fig 3) sehr ähnlich. 

19) Die Abbildungen (Taf. 37 — 42) und Beschreibungen 
(Cap. de Seminum generatione, 1. c. p. 57 — 63 beziehen sich 
auf verschiedene Pflanzen: Amygdalun u. Verw., Cucurbita, 
Laurus, Linum, Faha, Pimmi, Triticum, Corylus, Castanca. 

20) Julius Caesar Scaliger (1484 — 1558), Commentator 
des Hippokrates, Aristoteles und Theophrastus. 



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Anmerkungen. 



59 



21) Der Greis wird corycisch genannt nach dem Berge 
Corycius in Pamphylien. 

22) Verf. nennt diese Pflanzen: F'rumentiim Tnrcicum (= 
Zea 3{ais), Lachryma jobi (— Coix lacri/ma nach Linne), 
Ricinus (= Rvinus communis), Heliotropium tricoccum (= 
Ricinoides ex qua paratur Tournesol Gallorum nach Tourne- 
FOKT, also = Chroxophora [Croton] tinctoria], Ambrosia (wahr- 
scheinlich = Ambrosia marUima, bei Hermajjn, 1. c. p. 32 
— 35 beschrieben und abgebildet, denn bei Ambrosia sind die 
Köpfchen eingeschlechtlich, bei Artemisia (■ampestris, die auch 
als Ambrosia bezeichnet wird, aber nicht), Arctium (wahr- 
scheinlich = Xanthium, denn dieses hat eingeschlechtliche 
BlUthen, jenes nicht; da Bock für die Klette, Arctium Lappa, 
auch den Namen Xanthium anführt, ist die umgekehrte Be- 
nennung nicht zu verwundern.) 

23) Ilortus medicus et philosophicus. Francofurti a.M. 1588. 

24) Hikron. Bock, Kräuterbuch: UI. Theil, cap. 66, p. 865. 
Baumnuss: Sobald der Nussbaum sein zart rot Laub, welches 
in der ersten vast wol reucht, herfür stosst, so kommen gleich 
auch mit dem Laub lange Zapffen, das ist der Nuss getreid, 
nach demselben kriechen die grünen Nüsslein auch herfür, . . . 

25) Kajus, Historiae Plantarum lib. II (Londini 1693), 
p. 1419: Salix Julis seu nucamentis e midtis vasculis semina- 
libus compositis, qu.ae semen continent .... 

26) JuNGius, Isagoge phytoscopica (Coburg 1747), p. 26: 
»in Queren iulus staminibus constans antecedit flosculum pur- 
pureum, qui rudimento fructus conjungitur. 

27) Moritz IIoff.uann, Florae Altdorffmae deliciae syl- 
vesti'es sive Catalogus plantarum in agro altdorffino locisque 
vicinis sponte nascentium etc. Altdorffi 1677. Die citirten 
Worte finden sich in dem Artikel über Abies. 

28) Ephemerides Germanicae, Dec. III. Annus I (1694), 
Obs. 120 (nicht 121 wie Camerarius citirt): Dn. Lic. Jacobi 
Augustixi Hünerwolffii, De Antepilepticorum praeseiüm 
pulveris farinacei ex corylo efl'ectu diverso. 

29) Die Stellen aus Matthiolits und Magxol brauchen 
hier wohl nicht citirt zu werden; die betreflTende von Magnol 
findet sich in seinem Botanicum Monspeliense etc. (Monspelii 
1686) p. 187 unter Nux jiiglans. 

30) Gemeint ist wahrscheinlich Hieronymus Brunsthwygk 
VON Sai.ern oder Jerontmus Braunschweig mit seinem über 
de arte distillandi, Strassburg 1500. — Die Stellen der anderen 



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60 



Anmerkangen. 



hier citirten, meistens älteren Autoren anzuführen, halte ich 
nicht für uothwendig, da die Sache für uns kein besonderes 
Interesse mehr hat: die Alten haben eben die Kätzchen der 
Waldbäume, das an ihnen wachsende Moos und die Flechten 
theils mit denselben Namen bezeichnet, theils wohl auch be- 
grifflich verwechselt. 

3 1 ) Die Stelle ist eigentlich nur theilweise übersetzt, denn 
der Ausdruck; ßQveiv est florere non quolibet flore, sed denso 
et conferto ist im Deutschen nicht gut wiederzugeben; dann 
folgt das, was hier übersetzt ist. 

32) Gemeint ist Lycopodium clavatum^ was mit Sicherheit 
aus den von Bock in seinem Kräuterbuch angeführten Namen 
hervorgeht; Muscus teiTestris clavatus C. Baithin = Lyco- 
podium = Beerlapp oder pes ursinus etc., nebst Abbildung. 
Mit »keulenförmiges Kätzchen« habe ich das von CAMERAUirs 
gebrauchte Wort Clavus übersetzt, statt dessen man freilich 
clava (Keule) erwarten sollte. Clavus hat eine sehr mannig- 
faltige Bedeutung, aber keine, die hier den richtigen Sinn 
gäbe, wie clava, so dass mir hier ein Irrthum des Yerf. oder 
ein Druckfehler vorzuliegen scheint. Bock sagt (1. c.): »Im 
Brachmonat stosst diss Gürtel oder Seilkraut gälc runde zäpf- 
lein, gleichs lang, gantz mälbecht, nicht anderst, dann die 
Hasel zäpflein, oder getreid, . . .« 

33) Der Ausdruck: cyprisches Pulver findet sich erklärt 
in G. Sv. Wedklii de Medicamentorum compositione extempo- 
ranea . . . über (.Jena 1693), Sect. III, Cap. V, p. 204; Per- 
tinet huc et usus pulverum capitalium, quos, a radice cyperi, 
cyprios vocant . . . Die neuere Pharmaeie kennt ihn nicht ; 
zuletzt habe ich ihn gefunden bei J. A. MruKAY, Apparatus 
Medicaminum (Gottingae 1790), vol. V, p. 488, wo es von 
dem Pulvis lycopodii heisst, dass es bei der intertrigo infan- 
tium efficacissimus est et tutior longe . . . pulvere cyprio 
insperso. Die Verwendung des »muscus quercinus« zur Be- 
reitung des »pulvis cyprius nobilissimus« wird angegeben in 
Aeexii Pkdemoxtaxi de secretis libri (Basileae 1560) p. 114. 

34) Auistoteles, Hist, animal, lib. IX, cap. 40, de gene- 
ribus apum etc., sagt cd filv itvO-offoQ(waiv\ in lateinischer 
Uebersetzung lautet die Stelle: singulis autem muneribus se 
distribuunt, ut .aliae flores convehant, aliae extruant, aliae 
poliant fauos, et dirigant. 

35) Niminim sui ipsius vicarius erit heisst die Stelle mit 
Beziehung auf bryon \icarium fioris agnoscit: ich kann sie nur 



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Anmerkangon. 



61 



so verstellen, wie ich sie dem Sinne nach in der Uebersetzung 
iviedergegebeu habe. 

3G) Das Giornale de’ Letterati a Parma habe ich nicht 
naclisehen können, jedoch aus London, wo es sich in der 
Bibliothek des British Museum befindet, durch die Güte des 
Ilenn Sclateii Folgendes erfahren: Die Acta Anglica, auf 
die daselbst Beziehung genommen wird, sind die Philosophical 
Transactions, vol. XV, 1686, p. 1 156 — 1158, und die betref- 
fende Abhandlung ist von Geokge Garden (aus Aberdeen): 
Extract of the second letter (to Dr. Middleton, concerning 
monsü'ous births, pebbles and the proboscis of Bees) ; in dem 
Brief sagt der Autor, dass die Bienen in den >globulets« der 
Blüthen das Material für ihr Wachs einsammeln. 

37) Der >nobilis Autor Georgicae curiosaet ist Wolf- 
gang Helmhard Freiherr von Hohberg (1612 geh. in Ober- 
Thumritz, 1688 gest. zu Regensburg). Die »Georgien curiosa 
oder Unterricht für den Landbau fürs adelige Land- und Feld- 
Leben auf alle in Deutschland übliche Land- und Ilaus-Wirth- 
schaften gerichtet* erschien zuerst in Nürnberg 1682 in zwei 
gi’ossen Foliobändeu. In der deutschen Biographie wird es 
»ein im grossartigen Stile angelegtes kameralistisch-ökonomisch 
und landwirthschaftlich-technisch wie historisch-politisch bedeut- 
sames Werk« genannt. 

Johann C. Colerus (geb. gegen das Ende des 16. Jahr- 
hunderts in Goldberg in Schlesien, gest. 1639 als Prediger in 
Parchim) ist bekannt durch sein »Haushaltungsbuch*, das 1609 
in Folio erschien und mehrfach, auch unter dem Titel Oeco- 
nomia ruralis et domestica herausgegeben worden ist, das 
erste vollständige Werk über die Oekonomie in Deutschland. 

38) OviDiüs Montalbanus, ein italienischer Medicus und 
Physicus (geb. ca. 1600, gest. 1672 in Bologna), gab unter 
Anderem heraus: Ulyssi Aldrovandi dendrologiae libri duo 
collecti et digesti. 

39) Oratio de quereuum gallis. Vergl. Einleitung p. IX, 
Nr. 8. 

40) Wahrscheinlich Moses Charas, ein Medicus zu Paris, 
dessen Pharmacopoea regia gallenica et chj’mica 1683 zu 
Genf erschien. Die Stelle findet sich vielleicht auch in einem 
anderen seiner Werke. 

41) JoH. Run. Camerarius, S}Tloges memorabilium medi- 
ciuae et mirabilium naturae arcanorum Centuriae sedecim. 
Argentorati 1652. Das Citat ist nicht richtig, sondern die 



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62 



Anmerkungen. 



betreffende Stelle findet sich Centuria V, Pars LXX, Plantarum 
nomina maris et faemina, quo sensu habenda; >Ex eodem 
stipite funditur seinen, quod partim evadat mas, partim faemina.» 

42) JüACii. JuXGivs, Opusciila botanico-physica (Coburg 
1747) p. 153 in De Plantis doxoscopiae physicae minores, 
Addenda. 

43) Kräuterbucli; Von Hanflf. Cap. CV. 

44) Eine ilhnliche Stelle lautet in der Uebersetzung von 
Gaza (lib. II, cap. IX, Schluss): »Palmis autem foeminis mas- 
culi conducunt. Hoc enim et perdurare et maturescere fructus 
facit. Caprificationem, ob similitudinem quidam rem appella- 
nint, quae sic fieri solet. Dum mascula floret, spatha abscissa, 
qua flores emergunt, protinus, ut lanuginem et florem et pul- 
verem continet, super fructum foeminae decutiunt. lila sic 
ea aspersione afficitur, ut suos fructus nullo pacto amittat, 
sed cunctos conservet. Unde fit, ut bifario adjumento mas 
esse foeminae valeat. Fnictiferam enim foeminam vocant. 
Sed altcrum veluti coitus, alterum ratione alia contingit.« Da- 
I)ei bezieht sich das zweite alterum auf Ficus, von welcher 
die Caprification in demselben Kapitel beschrieben wird. 

4 5) Pi.iNius (1. c.) sagt; »nec juniperi florent. Quidam 
earum duo genera tradunt ; alteram florere nec fene, quae vero 
non floreat, ferro protinus bacis nascentibus quae biennio 
haereant; sed id falsum, omnibusque bis dura facies semper. 
Sic et hominum multis fortuna sine flore est.« 

46) Die angeführten Worte von Bock stehen auch in der 
alten Ausgabe von 1546, mit dem Zusatz; »wie ich dann 
selbs war hab genommen*. In der lateinischen Uebersetzung 
von Kybku (Strassburg 1552) heisst es: »Majo mense tenuis- 
simus ac luteus pulvis e Juniperis in auras avolare conspicitur, 
quod Semen illius esse adverti.« Hier ist also zuerst fälsch- 
licherweise Blütlie mit semen übersetzt. — Johanxks Bauhix 
(Historia plantarum universalis Ebroduni 1650, T. II, lib. IX, 
p. 294) fügt dann, indem er mit den Worten inquit Tragus diesen 
Satz citirt, hinter semen in Klammern florem hinzu. Vorher 
hat er die männlichen Blttthen beschrieben und ganz passend 
mit den Köpfchen von Equisetum verglichen, er nennt aber die 
blühende, keine Beeren tragende Pflanze die weibliche. Von deu 
männlichen Blüthen meint er: »tantum florum apparatum, quasi 
ad ostentationem comparatum, uullus fructus sequitur, sed in 
auras abiens, pulvisculus vanam baccarum spem eludit.» Ra.ji:s 
dagegen (hist, plant. T. II. London 1693 p. 1411) sa^; 



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Anmerkungen. 



63 



»nostra sententia flosculi hi non ad ostentationem tantum sed 
ad U3um comparati: siquidem pulviscnlus öorum apicibus in- 
clu8U3 feminanim baccis aspersus spermatis masculini modo 
iis foecundandis inservit. Consentit Tragus inquiens, Maio 
raense tenuissimus ac Intens pulvis e Juniperis in auras evo- 
lare conspicitnr, qnod seinen illius esse animadverti. [J. Bau- 
HiN’US perperam pro semine florem scribit.]« 

47) Vergl. Anm. 27. Die citirten Worte beziehen sich 
auf die beiden hier unterschiedenen Arten Morus fructu nigi'o 
und fructu albo (1. c. p. 43). Vor: ineunte vere nucamentum 
praelongum parturiens ist aber eingeschaltet Pseudosycomorus 
RuelL, womit, nach Linxe, sonst Melia Azedarach bezeichnet 
wird ; hier geht es wohl auf Morus, der wenigstens von Galen 
auch av/.äiuvov genannt wird. 

4S) Botanicum Monspeliense (vergl. Anm. 26) p. 152 unter 
Laurus vulgaris. Der französische Ausdrnck Baguier scheint 
jetzt nicht mehr gebräuchlich zu sein. Der Lorbeer ist häufig 
diöcisch, aber die männlichen Blüthen bilden keine Kätzchen 
oder Trauben. 

49) Lingua avis officin. sind Früchte der Esche; die citirte 
Stelle findet sich in Hoffmaxx’s Catalogus (vergl. Anm. 24) 
p. 26 unter Fraxinus. 

50) Kajus (Hist, plant. T. II, lib. XXX, cap. II. 1702): Fraxi- 
num duplicem faciunt nonnulli, marem seu sterilem quae flos- 
culorum racemos nigros dumtaxat fert et foeminam seu fertilem, 
quae semen seu linguam avis dictum produeit. Nos in Fraxinis 
verno tempore ejusmodi florem stamineorum congestorum race- 
mos observavimus, ante folia erumpentes et bre\ä evanescentes : 
nec tarnen infrugiferae (quantum meminimus) fuerunt hae ar- 
bores verum post flores etiam fructus protulerunt, quod et 
Parkinsonus aftirmat.« — Fraxinus excelsior ist bekanntlich 
polygam. 

51) Opuscula botanico-physica (Coburg 1747), p. 145. 
Cap. IV. VII. 19. JuNGius bezieht sich hier niclit nur auf 
Fraxinus, sondern auch auf rein diöcische Pflanzen, von denen 
er vorher Taxus, Populus, Juniperus u. a. nennt. Den Aus- 
druck: videntur arbores hujusmodi sero florcscere habe ich 
auf das Alter der Bäume (>erst wenn sie älter sind«), nicht 
auf die .Jalireszeit bezogen. 

52) De Floribus radiatis discoideis vergl. Einleitung p. IX 
unter Nr. 7. Die in der citirten Abhandlung genannten Arten 
sind Ptarmica Austriaca, Xcranthemon Ilermannus vocat. 



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64 



Anmerkungen. 



(= Xeranthemiim anmmm L.j und flos solis (= Heliantlms 
rmnuus L.) »propagatio ipsanim non a seminibuü radio, sed disco 
subjectis, quibus efficacia apicum conspergi contigit, speranda 
sit< d. h. bei diesen sind nur die Scheibenblüthen fruchtbar, die 
Randbliithen aber unfruclitbar. Bei QmpJialium und Carlina 
(im Texte) betrachtet er offenbar irrthümlieherweise die blumen- 
blattartigen Hüllblätter als Randblüthen; was er aber im Texte 
von den rudimentären Früchten der Randblüthen sagt, kann 
sich nur auf Xeranthemiim und Helianthus beziehen. 

53) Mai>pigiii 1. c. Tab. XXVU, Fig. 154, welche 1) einen 
Längsschnitt durch das ganze Köpfchen, 2) eine sterile Rand- 
blüthe, 3) eine fertile mittlere Blüthe sehr schön darstellt. 

54) JuNGius (1. c. p. 26) sagt: 2) Flos perfectus est, qui 
folio, staminibus et stilo constat, quamvis stilus rudimeuto 
fructus cohaeret. 3) Flos imperfectus est, qui harum partium 
aliqua caret. 

55) JoH. Bapt. Ferrari 1584 — 1655. Sein Werk: Flora 
seil de florum cultura libri IV ist ursprünglich italienisch ge- 
schrieben. Es liegt mir eine editio nova accurante Bernh. 
Rottexdorffio (Amstelodami 1664) in lateinischer Sprache 
vor. Das citirte Kapitel (IV, 8) ist das letzte des (mit schönen 
Kupfern ausgestatteten) Buches und ist überschrieben Mutatae 
florum formae. Der Lehrmeister des Verf. in dieser Sache 
heisst PoLYUORUs Neruccius. 

56) RA.rus. Hist, plant, lib. I, cap. XI: de flonim diffe- 
rentiis: e Joach. Juxgii Isagoge Phytoscopica, additis et mu- 
tatis nonnullis. 

57) Pentapetaloideae nach Rajus (Hist, plant, lib. XX): 

flore pentapetaloide seu monopetalo pentapetalum simulante. 
Ausser Ncrium führt Cajierarius als Beispiele für diese Classe 
an : Paralysis , Auricula ursi , Clematis. — Herba paralysis 
Brunf., H. p. vulgaris Tragi, H. p. v. altera = Prhnuh verin 
nach Bock, welcher in seinem Kräuterbuch bemerkt: »Bei 
den Apoteckern und ihren Meystern heisst diss gewächss herba 
paralysis« und auch über die Namengebung von Bruxfei.8 
daselbst spricht (im Kapitel 66 von Schlüssel-Blumen). Auri- 
cula ursi ist nach Lixxe Priynida auriciilata. Unter Clematia 
muss, da die eigentlichen Arten keine sympetale 

fünfspaltige Blumenkrone haben, CI. daplmoides gemeint sein, 
die nach Lixxe ist = Vima minor. 

58) Diese Bezeichnungen sind ebenfalls dem Rajus ent- 
nommen: 



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Anmerkungen. 



65 



Zu Papposae lactescenteä vergl. Hist, plant. Tom. III, lib. V: 
Herbas floro composito in qiiatuor genera dividimus : pii- 
mum est earum, quae flore sunt planifolio, natura plerunque 
pleno . . . sufficit huic generi pro characteristica Flos 
compositus lactescens, siquidem proprietas isthaec Omni- 
bus et solis hujus generis inter eas quae flore composito 
sunt speciebus couvenit. Secundum earum, quae flore sunt 
discoide pajiposo. Tertium earum, quae flore sunt ex 
flosculis fistulosis composito, cujus calix squamosus in 
ventrem extumescit; Capitatae. Quartum earum quae flore 
sunt discoide non papposae; Gmymbiferae. 

Stellatae (I. c. lib. X, pars I) sic dictae, quia folia caulium 
nodos Stellae radiantis in nodum ambiunt, = unsere 
Rubiaceae. 

Äsperifoliae (Tom. I, lib. X, pars U): De Herbis yvpvo- 
ajcsQiug, in quibus quatuor singulis floribus succedunt 
semina, Asperifoliis dictis, = unsere Barapinaceae. 

Verticülatae (Tom. I, lib. XI): Verticillatae dicuntur hae 
plantae quae, flosculi caulem articulatim velut verticilli 
amplectuntur, foliolis interspersis, = unsere Labiatae. 

UmbcUifcrae (Tom. I, lib. IX, pars U) dicuntur hoc genus 
plantae, quia earum pleraeque flores gestant in ümbellae 
seil Corymbi speciem dispositos, = unsere Umbelliferae. 

Oi/mnovionospennae in Tom. HI, lib. IX, pars I: Herbae 
monospermae gymnospermae seu gymno-monospermae ; in 
Tom. I, lib. IX, pars I : De Herbis flore imperfecto, semi- 
nibus nudis, solitariis, hoc est, ad singulos flores singulis; 
hierher werden gerechnet: Valeriana, Valerianella, Plum- 
bago, Limonium (= Statice), Mirabilis, Linaria (= The- 
sium), Passerina, Agrimonia, Circaea, Pimpinella (= San- 
guisorba), Thalictrum, Fumaria. 

Monopetalae ist an dieser Stelle fraglich in seiner Bedeutung; 
es sind sonst Sympetalae mit regelmässiger Krone, allein 
er hat ja von ihnen die pentapetaloideae oben unter den 
gefüllten angeführt (vergl. Kajus, tom. I, lib. XV). 

Tetrapetalac siliculosae im Gegensatz zu den oben genannten 
T. siliquosae. (Vergl. Kajus, tom. I, lib. XVI: capsulatas 
seu siliculosas appello, quae vascula proferunt brevia, 
seu simplici intus cavitate, seu dissepta, sive membrana 
alveolos disterminans ad latitudinem seu planum siliquae 
perpendicularis sit, sive parallela.) 



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66 



Anmerkungen. 



Papilionaceae: Kajus, tom. I, lib. XVIII, qui est de herbis 
Höre papilionaceis, seu leguniiuosis. 

Bneciferae : vergl. tom. I, lib. XIII, pars U, de herbis bacci- 
feris. Hier sind sehr verschiedenartige Pflanzen vereinigt: 
Vacciniaccae, Asparagaccae, Solanaceae, Bryonia u. a. 

Pomifeme: tom. I, lib. XIII, pars I, de herbis pomiferis: 
Pomiferas voco quae fructus plantarum omuium maximos 

^roducunt [non omnes illarum species, sed aliquas] coitice 
crasso tectos quo a Bacciferis distinguuntur, quarum 
fructus membrana duntaxat tenui vestiuntur, flores nudos, 
monopetalos, margine quinquepartito , summo fructui iu- 
sidentes. Es sind unsere Oiieurbitaceof , von denen Bryo- 
nia zu den Bacciferis gerechnet ist. 

50) Vergl. Kajus, Hist, plant. Tom. I, p. 325, No. 12. 
Der genannte Th. Willisellus ist wohl nur ein Pflanzen- 
züchter gewesen; ich habe über ihn keine weiteren Angaben 
gefunden. 

60) 1. c. p. 186. Observatio CXII. Lic. Jacob. August. 
IIÜHNKHWOJ^FEii de Lilio cruento Polyphyllo et Beilide mon- 
strosa. Kurze Bemerkung über die auf Tab. IV und V ab- 
gebildeten Pflanzen. Die Fenerlilie hat 1663 zu Halle im 
Garten des Pastors Oleakh’s geblüht. Es handelt sich oflenbar 
um eine Verbänderuug, durch welche die Blätter und Blüthen 
abnorm gehäuft sind. 

61) »flores monopetalos difformes«, wie es an dieser Stelle 
heisst, erklärt sich aus Kajus, Hist, plant. Tom. I, lib. XV, 
pars II (p. 751), wo als Herbae flore inonopetalo difformi an- 
geführt werden ; Linana, Pinyuicula, Antirrhinum, Aristoloclda, 
Scropkularia diyitalis , Pcdicularis , Mekimpyrum , Euphrasia. 
Uebrigens hat Ka.7US den Ausdruck difformis von Jungius 
entnommen, der sagt: Flos simplex difibrmis est, qui unius 
tantum diniensionis terminos inter se similes habet, h. e. cujus 
non superiora tantum ab inferioribus, sed et anteriora a posticis 
discrepant, uti sunt: Lamii, Marrubii, Salviae (Isagoge phyto- 
scopica, cap. VII, 1, p. 29). 

62) Kajus, 1. c. lib. I, p. 21: »Quamvis autem plerique 
flores natura pleni steriles et iufoecundi sint, hoc tarnen per- 
petuum non est in omnibus plantarum generibus: Caryophylli 
enim pleno flore iiihilomiuus foecundi sunt. Idem etiam ob- 
servatur in floribus compositis planifolio margine, per accideiis 
plenis, ut v. g. Matricaria et Chqmaemela; nimirum hujusmoili 
etiam foeeundos esse. 



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Anmerkungen. 



67 



^ 63) »Tulipa serotina ramosa maxima flore pleno llavo- 
vario« ist im Hortus acad. Lngdiin. Batav. p. 611 abgebildet 
nnd p. 612 findet sich die hier wörtlich übersetzte Bemerkung 
über die Fruchtbarkeit der Blüthe. Es handelt sich oflenbar 
um eine Varietät der Tulipa Qesneriana. 

64) Malpighi, 1. c. p. 44. Tab. 25, Fig. 149, Tab. 26, 
Fig. 149. 

65) Der griechische Name Balanstium für Granatblüthen 
kommt auch bei Plinius vor; in den Apotheken waren die 
getrockneten Granatenblumen unter dem Namen Balaustia, die 
dicken und zähen Schalen der Fimcht unter dem Namen Mali- 
corinm bekannt. (Linne’s Pflanzensystem, nach der 13. latein. 
ins Deutsche übersetzten Ausgabe, Bd. III, p. 650.) 

66) Vergl. Hist, plant. Tom. I, lib. I, cap. XX: de speci- 
fica (nt vocant) plantarum differentia. 

67) Es handelt sich um eine Varietät von Äquilegia vul- 
garis (nach Linn6), über welche Rajus (Hist, plant. Tom. I, 
lib. XIV, p. 707) schreibt: 5. Aquilegia degener J. B. Park. 
Ger. degener virescens C. B. Aquilegiam degenerem vocat 
Clusius exiguae Rosae formam aemulantes flores ferentem, 
coloris vel omnino viridis vel ex viridi purpurascentis. Hu jus 
florem Parkinsonus Aquilegiae roseae flore pleno similem facit, 
verum exteriora petalae primae scilicet seriei reliquis interio- 
ribns multo majora et latiora sunt. Hane quamvis alii speciem 
degenerem faciant, Parkinsonus tarnen veram et genuinam ab 
aliis distinctam Aquilegiae speciem esse vult, nec infinua 
ratione nititur, siquidem semen ejus satum speeiem suam con- 
stanter propagat, nec diversi generis plantas producit. 

Ueber die Päonie siehe ebendaselbst p. 696. Nr. 11. 

68) Fistulosi, qui naturaliter in belüde, tagete plani sunt, 
flores per semina propagentur. Es bezieht sich dies auf eine 
später (s. Anm. 76) nochmals erwähnte Varietät der genannten 
Pflanzen. Nach Jungius (Isagoge phytoscop. Cap. 19, p. 34) 
heissen bei den Compositen die Scheibenblüthen fistulares (nicht 
fistulosi) und die Randblüthen plani, indem das Köpfchen der 
Corymbiferen folgendermaassen beschrieben wird : Simul et 
discum sive meditullium ex fistularibus et marginem ex planis 
foliolis (annon floscnlis) compositum habent. 

69) John Gebäude, The Herball, or generali historie of 
plantes. Ed. U. Very much enlarged and amended by 
Thomas Johnsox, London 1633, p. 738, Cap. 254: . . . seeds, 
especially the outmost or those that stand about the edges of 

OttwalU’B Klassiker. lO.'i. Q 



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68 



Anmerkungen. 



the flouer; which beiug sowne commouly bring forth single 
floures, whereas contrariwise those seeds in the middle are 
lesser, and for the most part bring forth such floures as that 
was from whence is was taken. Die mit den letzten Worten 
gemeinte Form ist die gefüllte Calendula (C. major polyanthos 
= the greater double Marigold), die erstere Form ist die mit 
einfacher Bltithe (C. simplici flore = Single Marigold). 

70) Vergl. Einleitung p. IX unter 4) und 0). 

71) Mälpigui, 1. c. p. 31; am Schlüsse des Kapitels de 
gcmmis. 

72) Die citirte Stelle des Theophrastus gehört eigentlich 
nicht hierher, da es sich dort um sogen. Wurzelausschlag geföll- 
ter Bäume u. dgl. handelt; Quaedam [arbores] senesennt quidem 
putrescuntque velocius sed ex eisdem rursus latere suo ger- 
minant: nt lauri, mali, punicae et avi darum aquae pars major. 
De quibus etiam cum ratione quispiam qiiaerat, eaedem ne 
dici debeant an diversae etc. 

73) Aristoteles, de generatione animalium lib. I, am 
Ende: cum enim uniuntur et generant, insoparata redduntur 
nt plantae, idque natura eorum nititim, nt unum fiat, quod 
cum coeunt et conjimguntur conspicitur, unum effici animal 
ex ambobus, atque ea quae semen non emittunt, diu complexa 
funguntui’ venere dum conceptum constituant: ut insecta, quae 
solent coire. (Nach der Uebersetzung von Gaza.) Dem Ari- 
stoteles hat dabei wahrscheinlich vorgescliwebt, was Platon 
in seinem Gastmahl den Aristophanes über die ursprüng- 
liche Vereinigung der Geschlechter auch beim Menschen vor- 
tragen lässt. Die beiden Bücher de plantis, aus denen Came- 
RARius citirt, werden nach Pritzel dem Aristoteles mit 
Unrecht zugeschrieben und stammen von Nicolaus Damas- 
OENUs. (Ex Isaaci Ben Honain versione arabica latine vertit 
Alfredus.) Eine neue Ausgabe ist 1841 -von Ernst Meyer 
in Leipzig erschienen. 

74) SwAMMERDAM. Die citirte Stelle stammt wahrschein- 
lich aus seiner historia insectorum generalis, die später als 
Biblia Naturae herausgegeben wurde. In letzterer wird der 
Copulationsprocess der Schnecken ausführlich beschrieben. 

C. Jul. Solinus, ein lateinischer Grammaticus, vermuthlich 
im 3. Jahrhundert, hat in seinem Buche Polyhistor wesentlich 
den Plinius ausgeschrieben. 

Rajus, der Verf. der Historia plantarum, hat auch mehrere 
zoologische Schriften geschrieben. 



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Anmerkungen. 



69 



Martin Listek, ein besonders in der Naturgescliichte der 
Muscheln und Insecten sehr erfahrener englischer Medicus des 
17. Jahrhunderts. 

Der Abbate Antonio Feuce Marsiu.i hatte 1683 die 
Eier der Schnecken nachgewiesen. 

Jou. Jacob IIauueu (1656 — 1711), ein Schweizer, hat 
unter Anderem ein »examen anatomicum cochleae terrestris 
domiportae cum appendice de partibus genitalibus cochlearnm« 
geschrieben. 

75) De generat. animal, lib. I, cap. 20: idque Empcdocles 
bene rctulit suo carmine. — Von den Lehrgedichten des 
Empedocles (ca. 490 a. dir. in Agrigcnt geboren) sind uns 
ziemlich vollständige Bruchstücke erhalten [nnQl (pvasMg, 
'/.ad^uQ^ioi und iaTQi/.bg köyog]. 

7(i) Im Gegensätze dazu, dass man früher auch nach dem 
blossen Aussehen verwandte Arten als Männchen und Weib- 
chen bezeiehnete, als jenes gewöhnlich die stärkere, als dieses 
die zartere Pflanze, z. B. Filix mas und Filix femina, die 
männliche und weibliche Tanne des Theophrast (vergl. Text 
p. 44 und Anm. 106). 

77) Aristoteles, Hist, animal., lib. VI, cap. XUI: de 
partu piscium oviparorum deque sexus foemimae et maris 
discrimine, und cap. XIV: de partu et generatione piscium 
lacustrium fluviatiliumque. 

7 8) Habvey , Exercitationes de generatione animalium 
(Londini 1651). Exercit. 39: »a piscium masculorum geniturä 
in aquam sparsä magnam ovorum congeriem foecundari cer- 
tum est.« 

79) A. VAN Leeuitoniioek, Ontledingcn en Ontdekkingen 

(Leyden 1686). 16. Juli 1683 (Van de voort-teelinge des 

Kik-vors etc.) p. 4 etc. 

80) Augusti Quirini Rivini Observationes anatomicae 
circa congressum, conceptionem, gestationem partnmque rana- 
rum (Acta Eruditorum publicata Lipsiae, Calendis Maji anni 
MDCLXXXVII, p. 284). Die Stelle (p. 285) lautet : »Nimirum 
et ranas observavimus cum maribus siiis congredientes eo etiam 
tempore, quo ovula non omnino nigi-a sed variegata compa- 
i-uerunt, tumque non modo foemellanim tergo quod solennius 
est, sed et abdomini incumbunt mares. Qui primus congressus 
dubio procul ad impraegnanda ovula quidem valet, quod in 
gallinis e. g. galli coitns, h. e. nt plura simul ova foecun- 
dentui'. « 

6 * 



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70 



Anmerkangen. 



81) Wkrxkr Koi.i^finck, 1599 zu Hamburg geboren, 1673 
zu Jena als Professor der Anatomie u. s. w. gestorben. In 
welcher seiner zahlreichen Schriften die citirte Stelle steht, 
giebt Camerarius nicht an. 

82) Diese Stelle ist ziemlich dunkel, auch scheint sie mir 
falsch citirt zu sein, wenigstens kann sich lib. I, cap. VII 
nicht auf die Hist, plant, des Tiieophrast beziehen. 

83) Kajits, Hist, plant. I, cap. X, p. 16, Malpighi, Ana- 
tome, p. 55. 

84) Diese schwierige Stelle lautet im Original: Qui ’prin- 
cipium formationis volunt naturam, animamve plantarum, cam 
hic lascivicntem vel ludentem accusabunt: Qui ad primaevam 
creationcm omnia refernnt, forte a DEO creata quaedam gra- 
nula seminalia concedent, tot petalis instructa, expresse in 
hunc finem, ut commoda accedente fermentatione, et rcclusione 
ipsorum plenitudo oculos percellat; Vel aliquot ovula ad sum- 
mum caulis delata, quoad sua modo petala evolvi, reliquis 
partibus in Universum Omnibus suppressis, dicent. 

85) Vergl. oben Anm. 68. Hofmanx (catalog. plant, hoi-t. 
mcd. altdorf. p. 10) erwähnt: Bellis nostra rarior foliolis flor. 
discum ambientibus fistulosis. 



86) Weitere Angaben über die kernlose Myrte sind mir 
nicht bekannt geworden; so z. B. enthält Piiiupp Mieler’s 
allgemeines Gärtnerlexikon nichts über diese Sorte. Ueber- 
haupt hat man wohl den Früchten der Myrte wenig Beachtung 
geschenkt, da sie weder im menschlichen Haushalt Verwen- 
dung finden noch zur Fortpflanzung der Myrte benutzt zu 
werden pflegen, die ja gewöhnlich durch Stecklinge vermehrt 
wird. Von den Granatäpfeln sagt Kajus (Hist, plant. II, 
p. 1462): UTivQijva dicuntur non quibus nulla inest granorum 
duritia, sed quibus minor. 

87) Die von Camerarius citirten Angaben über den Früh- 
liiigsapfel (Malus verna), der ohue vorhergehende Blttthe ent- 
stehen soll, sind also folgende: 

1. Die citirte des Theophrast (de causis lib. 3, cap. 23); 
auf ihn bezieht sich JoAcii. Camerarius (Hort. med. et phil. 
Francf, 1588, p. 95): »Malus arbor exiguis admodum et pallidis 
floribiis praedita: fnictum fert, quae vocantur poma nana id 
est pumila. Habentnr etiam sine semine interius in fructu. 
Theophr. 1. 3. de caus. cap. 23 meminit r^g (.ii^kiag i^Qlvrjg, 
etiam Myrtus roig ^sQi-iolg uQÖevofitvrj ßeXvuov 



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Anmerkangen. 



71 



y.a'i u/ivQi^vog yiverca. Vide ibidem de Myrto ad balnea 
iiata, fructum sine semine proferente.« 

2. Gesner, Horti Germani, Stirpium appendicis emimeratio 
alphabetica (Argentorati 1561, p. 193b): Malus quaedam prope 
iirbem [Zürich] nostram non floret et frnctificat tarnen. Auf 
diese Stelle beruft sich C. Bauhin in seinem Pinax (p. 435) 
und führt einfach auf: IV. Malus non florens, fructificans 
tarnen Gesn. hör. ap. 

3. JoH. Bauhin (Hist, plant. Ebroduni 1650. Tom. I, p. 21) 
beschreibt und bildet ihn ab unter der Bezeichnung Malus non 
florida dicta. Er sagt, dass er von einem Baum aus dem 
Stuttgarter Garten ein Wurzelreis in den Garten von Mömpel- 
gard verpflanzt habe. Die Blüthen sind nach seiner Beschrei- 
bung und Abbildung genau so, wie es K. .1. Camerarius aus 
eigener Anschauung beschreibt, sie stehen in endständigen 
Büscheln. Die Früchte sind dnas uncias alta, totidem lata, 
angulosa, ut quaedam pene quadrata videantur, pediculo bre- 
vissimo, colore luteolo, carne tenera, acidula, sapida admodum, 
quod nornnt et vespae et aliae mnscae, quae Julio et Augusto, 
quo tempore apud nos matura sunt, ea arrodunt. Solent 
carere seminibus. Er erwähnt darauf den Frühlingsapfel des 
Theouhrast und sagt, dass seine, hier beschriebene Sorte 
nicht zu diesem gerechnet werden könne. (Hier stehen die 
von CA>iERARiua citirten Worte in der mir vorliegenden 
Ausgabe in etwas anderer Fassung.) Er citirt auch den 
J. Camerarius und Gesner. — Auf den J. Bauhin beruft 
sich wieder Hermann (Hort, academ. Lugd.-Batav. p. 403): 
■Malus non florens fructificans tarnen C. Bauh. pin. 435. Malus 
fructifera, fugaci flore Cat. Hort. Reg. Paris. 115. Malus non 
florida dicta .1. Bauh. tom. I, lib. I, p. 21. ^ — Hofmann (Flor. 
Altdorf. p. 40) führt ohne Citat an: Malus sine floribus poma 
ferens. 

Die Angalien über eine wirklich blüthenlose Apfelsorte 
müssen als irrthümlich und unzuverlässig angesehen werden, 
sie beruhen offenbar auf einer ungenauen Beobachtung der von 
Bauhin beschriebenen Sorte, die somit eine sehr alte zu sein 
scheint. Es ist dies der sogen. Feigenapfel, I^rus dioica 
Moench (Verzeichniss ausländischer Bäume und Stauden des 
Lustschlosses Weissensteiii bei Cassel. Frankfurt und Leipzig 
1785, p. 87 — 88, Taf. V), wie schon aus der Vergleichung 
der von Bauhin und Moenuh gegebenen Abbildungen und 
Beschreibungen hervorgeht. Dieser Apfelbaum trägt also 



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72 



Anmerkungen. 



wirklich nur weibliche Blttthen mit verkümmerten Petalen. 
Die Blttthen konnten folglich leicht übersehen werden, wie 
Moench selbst sagt: »Da die Blumen mit jungen Blättern 

umgeben sind, denen sie an Farbe gleichen, so hat man sie 
noch nicht deutlich bemerkt und bestimmt, ja selbst Miller, 
der fruchttragende Stämme gehabt hat, ist die (lestalt der 
Blume entgangen.» Philipp Miller (Allgemeines Gärtner- 
Lexikon, 3. Theil, Nflrnberg 1776, p. 20 und 22) sagt, dass 
der Feigenapfel in England und Nordamerika sehr gemein sei, 
dass viele Leute glauben, der Apfel entstehe ohne vorher- 
gehende Blttthe, dass er selbst dies aber nicht habe entschei- 
den können. Er citirt auch einen Bericht darüber von 
P. Dudley in den Philosophical Transactions No. 385. Koch 
weist bei der Besprechung dieser Sorte (Dendrologie, Bd. I, 
p. 204) auch auf BAriiiN hin und sagt, dass sie neuerdings 
seltener geworden zu sein scheine. Dippel envähnt ihn in 
seinem Handbuch der Laubholzkunde (Bd. III, p. 396) als eine 
Soi’te der Unterart mitis von Malus communis und citirt die 
Abbildungen und Beschreibungen der neueren Zeit (Moench, 
MCnchhacsen, Nouveau Duhamel). Die Früchte sind nach 
diesen Angaben kernlos. — De Canoolle erwähnt in seiner 
Pflanzenphysiologie (Deutsche üebersetzung von Köper, Stutt- 
gart und Tübingen 1835, Bd. U, p. 51) das Verhalten von 
Pirus dioica als ein Hauptbeweismittel des Camerarius. Er 
selbst giebt dann über eine ähnliche Apfelsorte noch Folgendes 
an (p. 57): ... »ich will nur den, bei Saint- Valery-en-8omme 
beobachteten, sonderbaren und missgestalteten Apfelbaum als 
Beispiel anfnhren (Revue encyclopödique 1829, p. 761; — 
Seringe, Bulletin botanüpie für 1830, p. 117). Zufälliger 
Weise trägt dieser Apfelbaum nur Stämpel (pistillum), und 
jedes Jahr holt man Blumen, welche Staubgefässe besitzen, und 
streut den Blumenstanb auf die Stämpel einer weiblichen 
Blume; die auf solche Weise bestreute Blume setzt Frucht 
an, und die übrigen bleiben unfruchtbar. Die Einwohner des 
Orts, für welche diese Operation eine kleine Festlichkeit ist, 
nennen sie »faire sa pomme« (seinen Apfel machen). 

SS) *Mvi^oauia^. Vinum grati odoris. Vinum odoratum. 
Vel ab Anthosmio loco sic dictum vel ut a vitis genere sic 
appellatum, vel snave et gratum habens odorem et generosum.« 
SüTHAS, Lexicon (Cambridge 1705). T. I, p. 213. 

S9) Kajus (Hist, plant. U, p. 1462) sa^ vom Granatapfel: 
Keperitur singulare quoddam hujus Mali genus, quod nullum 




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Änmerknngen. 



73 



in acinis semen contiiiet; Verum hoc accidentarium est, et ex 
lusu quodam naturae. 

90) Joii. Bohne, 1640 zu Leipzig geboren, daselbst Pro- 
fessor der Medicin, gestorben 1718, hat eine grosse Anzahl 
Schriften herausgegeben, von denen ein Theil als Exercitationes 
physiologicae zusammen gedruckt worden ist. 

91) JosEPHus Aromatobiüs oder de Aromatakiib, ein 
gelehrter Medicus zu Venedig, hat geschrieben: Dispntatio de 
rabie contagiosa, cui praeposita est epistola de generatione 
plantarum ex seminibus, qua detegitur, in vocatis seminibus 
contineri plantas vere conformatas, ut dicunt, actu (Venetiis 
1625). Diese Epistola umfasst nur vier Seiten, ihr Hauptinhalt 
wird in 17 Thesen ausgesprochen, deren erste lautet: >Plantae 
determinatis temporibus prolificum semen generant; animalium 
seminibus proportione respondens; ex materia quadam spiritibus 
commixta.« Eine Beziehung zwischen diesem Autor und 
Harvey ist mir nicht bekannt. Des letzteren Werk: Exer- 
citationes de generatione animalium ist 1651 zu London er- 
schienen. In der Von-ede zu demselben sagt H. ; »Prae caeteris 
autem, Aristotelem ex antiquis ; ex recentioribus vero Hiero- 
NYMtTM Fabricium AB Aquapendente, scquor ; illum, tanquam 
Ducem; hunc, ut Praemonstratorem. « Den Joseph ab Aro- 
MATARiis erwähnt er nicht. Vielleicht liegt eine Verwechselimg 
von Seiten des Camerarius vor in Folge einer gewissen Aehn- 
lichkeit der Namen und des Umstandes, dass die Werke des 
Fabr. ab Aquapendente von dem vorher erwähnten Bohne 
herausgegeben sind. 

92) Nicolaus Steno, 1638 zu Kopenhagen geboren, lebte 
lange in Florenz und starb 1686. Er hat viele medicinisch- 
anatomische Arbeiten geschrieben. 

93) SwAMMERDAM vergl. Anm. 74. Der berühmte Philo- 
soph Nicol. Malebranche (1638 — 1715) handelt von der 
Entstehung der Keimpflanzen in Recherche de la verite, 
Tom I, lib. I, wie aus einem Citat in Christian Wolff’s 
»Vernünftige Gedanken von den Würckungen der Natur« 
(Halle 1723) hervorgeht. Ebendaselbst (nach der mir vor- 
liegenden Ausgabe III. Theil, Cap. XU, p. 643) werden auch 
citirt Honoratus Fabry (lab. 2 de plantis prop. 98 p. 55. 561, 
Perrault (Essay de Physique, Tom. 3, part 3, c. 3, p. 305 
edit. Par.), Sturm (Dissertat. de generatione plantarum et 
animalium, Phil. Eclect. T. 2, p. 287). Vergl. die folgende 
Anm. und Sachs, Gesch. d. Bot. p. 436. 



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74 



Anmerknngen. 



PfUEKlTS ist Jo. CoxR. Peyrk oder Peier, ein Medicus 
von Schafifhausen, 1653 — 1712, ebenfalls Mitglied der Acad. 
Nat. Cur. — 1677 erschien von ihm zu Schaffhausen; Exer- 
citatio anatomico-medica de glandulis intestinonim earumque 
nsn et affectionibus , cui subjungitur anatome ventricnli galli- 
nacei. 

94) Hoxor.\tl'.s Fabri, ein Jesuit, 1607 in der französi- 
schen Landschaft Velay geboren , schrieb ; Tractatus duo, 
quorum prior est: de plantis et de generatione animalium, 
posterior de homine {Nürnberg 1677). 

Claude Perrault, geb. 1613 zu Paris, gest. 1688 da- 
selbst. Sein Hauptwerk ist: Essais de physique ou Recueil 
de plusieurs traitds touchant les choses naturelles. 4 Tom. 
Paris 1680 — 1684. Tome HI; De la möcanique des animaux. 

Sturm, vergl. Anm. 1. 

95) Gr>;w, vergl. Anm. 2; ferner auch die von Sachs 
(Geschichte der Botanik p. 412 — 414) citirte Stelle p. 152 § 6 
und das von Sachs 1. c. darüber Gesagte. 

96) Ji'XGius, De Plantis Doxoscopiae phj'sicae minores, 
p. 143, cap. VII: »1. Maris et feminae nomine pro lubitu Bo- 
tanicorum quisque uti videtur.c Dies wird in den folgenden 
Sätzen dieses Kapitels an Beispielen weiter ausgeführt. 

97) Kon. Morisox (1620 — 83): Bioihini hallucinationes in 
pinace, seu praeliidiorum Botanicorum Pars II (London 1669). 

98) Der wilde Oelbaum wird hier als nicht fruchttragend 
bezeichnet, seine Früchte sind aber nur kleiner und ungeniess- 
bar. Die wilde Form Olea europaea a Oleaster DC. unter- 
scheidet sich auch in ihren Zweigen und Blättern von der 
angebauten Form Olea europaea ^ sativa DC. 

99) In der lateinischen Uebersetzung (des Aristoteles) 
heisst es an der citirten Stelle; Ad haec, in testaceis atqiie 
in stirpibus, quod pariat et generet, est: (|Uod autem maris 
fungatur officio, deest. 

100) >masculo non competente« heisst es im Original, was 
man nicht gut anders anffassen kann, als es in der Ueber- 
setzung geschehen ist, wenn man dazu die Stelle im Theo- 
I’Hrast, lib. lU. cap. X vergleicht, wo er über Pimis unter 
Anderem sagt: Foeminae tractatu omnino facile, atque mollius. 
t^uae quidem oraniuni fere raariuui foeminarumqne publica 
differentia est, ut caesores materiae asseverant. Quippe omnis 
raas securi brevior et contortior operique difficilior est, colo- 
reque nigrior. In diesem Kapitel werden die verschiedenen 



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Anmerkungen. 



75 



Coniferen besprochen, über deren Identificirung mit den jetzt 
angenommenen Arten zu vergleichen ist C. Fbaas, Synopsis 
plantarum florae classicae oder Uebersichtliche Darstellung der 
in den klassischen Schriften der Griechen und Römer vor- 
kommenden Pflanzen (München 1845), p. 261 — 266. 

101) Theophbast, Hist. Plant, lib. III, cap. IX. 

102) Caspar Hofmann (1572 zu Gotha geboren, seit 1607 
Professor Medicinä in Altorf, 1648 daselbst gestorben); sein 
Leben ist beschrieben von Jou. Georü Volckamer (1616 zu 
Nürnberg geboren und 1693 daselbst gestorben), der 1683 
zum Vorsitzenden der leopoldinisch-karolinischen Akademie 
der deutschen Naturforscher gewählt wurde. Dessen Schwieger- 
sohn, Gottfried Thomasius (wie mir Herr Prof. S. Günther 
in München gütigst mitgetheilt hat), hat, soweit mir bekannt 
ist, die Uebersetzung des Theophbast nicht hcrausgegeben. 
Wahrscheinlich ist er identisch mit dem Nürnberger Physicus 
gleichen Namens, der, in Leipzig geboren, 1692 Mitglied der 
Academia Naturae Curiosorum unter dem Namen Vindicianus 
wurde und in den Ephemeriden verschiedene Observationcs 
medicinischen Inhalts veröffentlicht hat. 

103) Das rpvllov des Theophbast ist, nach dessen Aus- 
leger Bodaeus a Stapel , Mercurialis. — Hiebon. Bock sagt 
(Kräutterbuch p. 152): »Das Bengclkraut würd Mercurialis ge- 
nennt . . . Das erste und gemeinste würd titulirt racemosa 
und spicata dieweil die Blüet anzusehen als ein kleines träub- 
Icin , oder als ein ährlein. Item Theligonos , quod faciat 
O-r^XvTO/.Blv, gignere foeminas. Das andere aber testiculata, 
weil es 2 sämlin in einem säcklin, als 2 Hödlin hat. Item 
Phyllon aqqevoyövov, quod faciat producere aptrepa, marcs. 
Dann Dioscobides, 1. 4, c. 169, und Plinius, 1. 25, c. 5, 
lehren, wann die Weiber nach ihrer Reinigung von dem 
Weiblin trincken, und das Kraut in die Scham legen, so ge- 
bären sic Meidlin , wann sie aber gleichförmigerweise das 
Männlin, oder die testiculatam Mercurialem gebrauchen, so 
erzielen sie Büblin.« 

Nach Fraas (1. c. p. 91, vergl. Anm. 100) ist das rpiXXnv 
des Theophbast (hist, plant, lib. 9, cap. 19) und des Dio- 
scobides (3, 130) als Mercurialis perennis aufzufassen wegen 
des Standortes: »cpvsrai ev TtHgatg.* 

104) Magnol. Die Stolle findet sich vielleicht in seinem 
Prodromus historiae generalis plantarum (Monspelii 1689). 



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Anmerkungen. 



105) Nach Fraas ist Crataeogonon = Crucianella mons- 
peliaca. Vcrgl. 1. c. (Anm. 100) p. 158 und 229. — Im 
Tiieoi'Hrast ist cs ebenfalls lib. 9, cap. 19 beschrieben; die 
Stelle dos Pmnius findet sich Ilist. nat. lib. 27, cap. 8: »Cra- 
taegonon spicae tritici simile cst, mnltis calamis ex una radice 
emicantibus multorumque geniculorum; nascitur in opacis semine 
mili, vehementer aspero gustu, quod si bibant ex vino ante 
cenam tribus obolis in cyathis aquae totidem midier ac vir 
ante conceptum diebiis XL, virilis sexus partum futurum ajunt. 
Et alia cst crataegonos quae thelygonos vocatur; dififerentia 
intclligitur lenitate gustiis . . . Theophrastus arboris genus 
intclligi voluit crataegon sive crataegona quam Itali aquifoliam 
vocant. (Theophr., llist. plant. III, 15, 5.)« Die Bezeichnung 
»Knabenkraut« habe ich im Lexikon gefunden für crataegis 
Plinius, was oflenbar dasselbe ist wie crataeogonon in der 
Bedeutung für Mercurialis pereunis. Plin. hist. nat. lib. XXVI, 
cap. X: »In totum quidem Graeci, cum concitationem hanc 
volunt significare, satyrion appellant sic et crataegin cogno- 
minantes et thelygonon et arrenogonon quanim semen testium 
simile est. « 

100) lieber die verschiedenen Arten, die in zahlreichen 
Gattungen mit der Bezeichnung »männlich« und »weiblich« 
unterschieden wurden, erhalten wir am besten Auskunft aus 
C. Bauhin’s Pinax und aus der Vergleichung der dort ge- 
gebenen Namen mit den von Linke festgestellten. Auch aus 
den Kräuterbüchern erfahren wir Manches darüber, uud so 
lassen sich die hier angeführten Beispiele folgendermaassen 
erklären : 

Von Paronia haben schon Dioscorides und Pi.iNius zwei 
Geschlechter unterschieden und zwar besonders nach der 
Wurzel. Dies geht auch aus den Abbildungen bei Douokaeus 
hervor (hist, stirp. Antv. 1616, p. 19.3); P. niaseula hat eine 
rübenformig verdickte, gegliedert ästige Wurzel und ist des- 
wegen rtelleicht auf P. coraUbm Rtz. zu beziehen. Bei F. 

von der es wieder zwei Arten geben soll, sind die 
Wurzelfasern stellenweise knollenförmig verdickt, wie bei P. 
ofßmialift L. und auf diese Art wird auch von Linke P. femina 
bezogen; es ist die gewöhnliche Gichtwurz. Fucus sagt in 
seinem Kräuterbuch: »das mennlc nennt mau Ninivenwurtz, 
welches wir noch nit gesehen haben«. Bauhin sagt von der 
Paeonia majscula auch: Floris amplitudinc reliquas superat: 



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Anmerkungen. 



77 



et herbac folia in lutioros ct pauciores virescentes particulas 
dividuntui'. « 

Veronica wird nach Bauiun bei den Alten noch nicht er- 
wähnt. Fuchs sagt: »Das Ehrenbreiss ist zweyerley geschlecht, 
mennlc und weible«; er hat nur diese zwei Arten, die er 
auch abbildet. Die Veronka femhia des Dodonaeus ist nacli 
Bauhin = V. pratensis serpillifolia, also V. serpyllifolia L.. 
V. mas ist bei Bauhin V. mas supina et vulgatissima , d. i. 
V. ofßcinalis L. 

Anagallk 7ua.s und -femim ist die roth und blau bhihende 
Varietät von A. mrcmk L., wie Fuchs deutlich bei Be- 
sprechung des Gauchheyls sagt: »Dises krauts sind zweyerley 
geschlecht, weiblin und mennlin. Das mennlin hat ein rot- 
zinnoberfarbs bluemlin. Das weiblin aber hat ein schön him- 
melblaw bluemlin , ist sonst dem mennlin aller gestalt nach 
gleich.« Nach Bauhin haben schon Dioscouides und PuiNius 
dieselbe Unterscheidung gemacht. 

Was dagegen bei Abrotamim von Dioscouides und Pi.i- 
Nius als mas und femina bezeichnet wurde, ist nach Bauhin 
nicht ganz klar und beide Autoren scheinen nicht recht tlber- 
cinzustimmen. Auch aus den KräuterbUchern ergiebt sich 
nichts sicheres; bei Bock und Fuchs ist die männliche oder 
grosse Stabwurz jedenfalls Artemisia Ahrotanum L. (= J//ro- 
tauurn 7nas bei Dodonaeus und Abr. mas angustifolium bei 
C. Bauhin), die weibliche (kleine) Stabwurz scheint bei ihnen 
Artemisia pontica L. zu sein. Linke aber führt Abr. femina 
arboreseens des Dodonaeus und Abr. latifolium arborescens 
des Bauhin als Synonym für seine Arteinisia arborescens an 
und dem entspricht auch die Abbildung bei Dodonaeus. 

Bei Cornus hat Linke die Bezeichnung mas beibehalteu, 
während seine Carnus sangninea der C. femina des C. Bauhin 
und Dodonaeus entspricht. Nach diesen Autoren hat Theo- 
PiiUAST, die Verwandtschaft beider Pflanzen erkennend, die 
G. mas L. wegen des härteren Holzes als die männliche Art 
bezeichnet, die C. samjuinea L. als die weibliche; letztere 
wh-d von Dodonaeus und Anderen auch unter dem Namen 
Virga sangninea beschrieben. 

Beim Farnkraut [Füix) schliesslich stammt die Unterschei- 
dung von männlich und weiblich ebenfalls aus dem Alterthum 
und ist von Linke, dem Namen nach, beibehalten worden, 
sein Polypodium filix mas ist Asjndium filix mas Sw., sein 
P. f. fcmiiui — Asplcnium filix femina Bernli. , die letztere 



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Anmerkungen. 



Art wurde als weiblich angesehen, weil ihre Blätter niedriger 
und feiner geschnitten sind: Cameeukiüs erkennt dies nicht 
als eine Begründung an. 

107) Petri Laurembergu Rostociuensis Horticultura, 

libris II comprehensa. Francofurti ad Moenum 1654. Caput X. 
Sexus Plantarum. Die Unterschiede der Geschlechter sind 
nach Verf. 1) est corporis constitutio ... 2) est accidens 

aliquod insigne, sic mala Persica, quorum carnes ab ossibus 
absistunt, censentur fi'uctus Persicae foeminae: quibus firmiter 
adhaerent, masculae. 3) Est figura ... In Cydoniis quae 
oblonga sunt assignantur mai'ibus, rotnnda foeminis. Galli 
masculo adjudicant pulpam pallidam, foemellae candidiorem. 
4) Est fructus. Cannabis, spinachia, pluraque alia, quae 
semen ferunt, dicuntur foeminae: quae sterilescunt, mares. 

108) C. Bauhin, Pinax p. 15 — 16: Equisetum palustre 

brevioribus foliis polyspermum: 7coXvyovov — Hoc 

communiter sine semine repentur, aliquando ad singulas arti- 
culorum commissuras dena et plura semina (hinc polyspermum) 
adnascuntur. — Jedenfalls sind die Knollen gemeint, welche 
sich bei Equisetum palustre an den tieferen senkrechten Rhizom- 
ilsten einzeln oder meistens in quirligen, kurzen, rosenkranz- 
artigen Ketten finden. 

109) Wo dieser beherzigenswerthe Ausspruch des berühmten 
Physikers Robert Boyle (1627 — 1691) steht, ist mir nicht 
gelungen zu ermitteln. 

110) Das Wort > Akribie« wurde in der Uebersetzung an- 
gewendet, weil Verf. im Texte statt des lateinischen Ausdnickes 
ic/.qißein sagt. 



Prurk von Breitkopf K Hürtel in Leipzig. 



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